Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
Zapfsäulen mit oben aufgesetzten bauchigen Glaskugeln, Überbleibsel aus den 1950er Jahren, die man wohl auf dem Parkplatz stehen gelassen hatte, um Zeugnis über das spezielle Ambiente des Lokals abzulegen. Links neben dem Gebäude, oberhalb des mit Kies befestigten Parkplatzes, stand ein aus rohen Holzbalken gezimmertes Gerüst in Form des griechischen Buchstabens Pi, das offensichtlich einem mittelalterlichen Galgengerüst nachempfunden war.
Das Gerüst fiel Lucas sofort auf, als er den Parkplatz erreichte und den Truck neben der Ansammlung von Streifenwagen abstellte. Solche Konstruktionen bekam man in letzter Zeit nicht mehr oft zu sehen, aber in den 1960er und 1970er Jahren war man überall auf dem Land auf sie gestoßen. Es waren so genannte Hängegerüste, an denen man die größten Hirsche aufzuhängen und zur Schau zu stellen pflegte, die während der jeweiligen Jagdsaison in der Gegend erlegt worden waren.
Carlita Petersons Leiche hing am Querbalken des Gerüsts.
Wie man Lucas bereits gesagt hatte, war es eher ihr Kadaver als ihre Leiche, und Lucas ging mit gesenktem Blick auf das Gerüst zu, wollte das schaurige Bild am liebsten gar nicht sehen.
Ein Cop stand da und sagte zu Lucas: »Das ist einfach abscheulich.«
Lucas sah jetzt hin. Es war nicht mehr zu vermeiden.
Peterson Kehle war aufgeschlitzt worden; das hatte zu ihrem Tod geführt. Aber nach dem Tod war die Leiche vom Hals bis zum Anus aufgeschlitzt und ausgeweidet worden, und der hohle Rumpf baumelte in der kühlen Morgenluft.
Lucas schaute weg, trat dann zurück, schüttelte den Kopf. Seine Hände zitterten. Er hatte gehofft, sie würden diese Frau lebend befreien können …
Nordwall kam in seinen Cowboystiefeln angeschlurft, schaute nicht auf den Kadaver. »Er hat sie ausgeweidet wie ein Stück Vieh.«
»Sie müssen ein paar Leute in die Wälder schicken, eine Suchaktion starten nach den …« Lucas brach ab. Er hatte das Wort auf der Zunge, sprach es aber nicht aus.
Der Sheriff tat es für ihn: »… den weggeworfenen Innereien.«
»Ja. Ich nehme an, er hat das nicht weit weg von hier getan. Diesen Ort hier hat er für die Zurschaustellung ausgesucht. Ihre Leute sollen nach Krähen Ausschau halten, nach einer Ansammlung von Krähen …«
»Okay, ich kümmere mich sofort darum.«
»Sagen Sie allen, sie sollen vorsichtig vorgehen. Wenn wir die … das Zeug finden, können wir vielleicht von dort aus eine Spur zu dem Ort aufnehmen, wo er sie festgehalten hat. Und wir müssen überprüfen, ob einer der Nachbarn in der Nacht einen Wagen gesehen oder gehört hat …« Der Sheriff nickte, und Lucas fuhr fort: »Ach was, Gene, Sie kennen ja die Routineprozeduren. Wir wissen, dass Pope etwas mit der Sache zu tun hat, also ist die Identifizierung zunächst nicht besonders wichtig - es sei denn, wir stoßen auf einen
zweiten Namen. Wichtig ist der Wagen. Was für einen Wagen fahren die Killer, wenn es denn zwei sind, wo hat man den Wagen gesehen?«
»Ich erledige das. Bleiben Sie hier?«
»Nein, ich fahre erst mal für eine Weile nach Hause.«
Als Lucas zurück zum Parkplatz ging, bog ein brauner Chevy in die Zufahrt ein; der Mann im Wagen zeigte dem Cop an der Absperrung einen Ausweis, dann wurde der Wagen zum Parkplatz gesteuert und neben Lucas’ Truck abgestellt. Sloan stieg aus.
»Wie geht’s dir?«, fragte Lucas automatisch.
»Das sag ich dir in einer Minute«, antwortete Sloan. Er sah blass und müde aus, aber das war öfter so, vor allem am frühen Morgen. Er ging den Hang hinauf zu dem Hängegerüst. Lucas lehnte sich gegen den Truck, sah Sloan nach, wartete.
Ein weiteres bekanntes Gesicht tauchte auf. Lucas suchte krampfhaft nach dem Namen, aber der Mann half ihm aus der Verlegenheit: »Hallo, Lucas - Barry Anderson, Goodhue.« Der Sheriff des Goodhue County trug eine braune Hose und ein rot kariertes Hemd, nicht seine Uniform. Wie Lucas war er die ganze Nacht über im Einsatz gewesen; die nächtliche Jagd hatte ja mitten im Goodhue County begonnen.
»Ich weiß, wohin er gestern Nacht mal gefahren ist«, sagte er und blickte grimmig den Hang hoch zum Hängegerüst. »Es gibt bei uns eine Bar mit Namen Old Church - keine Kirche mehr da, sie ist vor zwanzig Jahren abgebrannt -, aber es gibt diese Bar, und sie hat ein Hirschgerüst. Sie liegt keine fünf Meilen von der Stelle entfernt, an der unser Deputy erstmals auf den Killer gestoßen ist.«
»O Gott …«
»Warum ist er dorthin gefahren?«
Lucas
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