Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
untersuchen, überprüfen wir nicht die Konsistenz der Blutzellen. Das gehört nicht zur Routine. Man macht’s einfach nicht.«
»Und?«
»Ich habe Anita angewiesen, sich die Probe von dem Blut unter Rice’ Fingernägeln mal unter dem Mikroskop anzusehen. Sie fand heraus, dass viele Blutzellen zerfallen sind.«
»Ich verstehe nicht, was das bedeutet. Zerfallen?«
»Es bedeutet, dass diese Blutzellen eine Zeit lang eingefroren waren. Es bedeutet, dass der Mann, der das Blut eingefroren hat, Pope umgebracht, ihm Blut abgezapft und es dann unter Rice’ Fingernägeln platziert hat.«
Lucas starrte Hopping Crow an. »Sie wollen mich verarschen, oder?«
»Nein. Es ist die Wahrheit.«
»Also war die Fahndung nach Charlie Pope vollkommen sinnlos«, sagte Lucas.
»Richtig. Der Gerichtsmediziner sagt, er sei seit mindestens einem Monat tot. Seit wann ist Pope verschwunden?«
»Seit etwas mehr als einem Monat.«
»Da haben wir’s ja …«
Lucas dachte eine Minute über das Problem nach, lehnte sich dann vor und klopfte auf Hopping Crows Schreibtischplatte.
»Wenn das rauskommt, ist der Teufel los. Die Medien werden jemanden aufs Korn nehmen, den sie mit Steinen bewerfen können. Vielleicht bin ich das, oder Sie sind es, oder wir beide sind es, oder gar das ganze SKA.«
»Das weiß ich.«
»Sagen Sie Anita noch mal mit Nachdruck, dass ihr Job auf dem Spiel steht. Früher oder später wird allerdings jemand rausfinden, dass wir uns diese Blutzellen nicht unter dem Mikroskop angesehen haben.«
»Wir machen das nie. Niemand macht es. Die DNA-Analyse ist eine völlig andere Sache.«
»Meinen Sie denn, das würde für die Fernsehleute einen Unterschied machen?«, fragte Lucas.
Hopping Crow dachte einen Moment nach und sagte dann: »Wenn wir es ihnen auf die richtige Art und Weise präsentieren …«
»Quatsch«, knurrte Lucas. »Es gibt keine Art und Weise, es ihnen richtig zu präsentieren. Die TV-Leute sind straffe Anhänger der alten Lehre von William von Ockham: Die einfachste Erklärung ist die beste. Und in diesem Fall lautet die einfachste Erklärung: Wir haben die Sache verbockt. Das verstehen die Leute. Die ganze wissenschaftliche Scheiße kapieren sie nicht. Für sie klingt das nach unverständlicher Magie.«
»Aber was sollen wir dann tun?« Hopping Crow klang ein wenig verzweifelt.
»Wir müssen diesen Dreckskerl finden.«
»Ja, ja. Wir können die Sache wahrscheinlich für ein paar Tage geheim halten, aber was ist, wenn der Killer sich die nächste Frau greift und umbringt? Was machen wir dann? Sagen wir dann einer Million Cops, sie sollen nach Charlie Pope suchen? Und was sage ich dem Gerichtsmediziner?«
»Sagen Sie ihm, das Ergebnis sei negativ. Das erwartet er sowieso.«
»O Mann …« Dann: »Was werden Sie unternehmen?«
»Ich muss erst einmal mit Rose Marie sprechen, vielleicht sogar mit dem Gouverneur persönlich. Irgendeine Lösung finden. Und Sie, ich sage das noch mal, verpflichten Anita zu absolutem Schweigen. Erklären Sie ihr, ich würde dafür sorgen, dass sie rausfliegt und keine Stelle mehr im Staatsdienst bekommt, wenn sie auch nur ein einziges verdammtes Wort zu irgendeinem verdammten Menschen sagt.«
Lucas ging in sein Büro und rief Del Capslock an, den Leiter seines Ermittlungsteams. Del arbeitete zurzeit an einer Drogensache. Zusammen mit einer Task Force der örtlichen Polizei von Woodbury, einer Vorstadt von St. Paul, versuchte er herauszufinden, wer die Highschool mit Amphetaminen belieferte. Lucas fragte ihn: »Was machst du im Moment?«
»Ich lese ein Magazin und beobachte ein Haus.«
»Kannst du das mal kurz mal unterbrechen?«
»Wenn’s sein muss …«
»Dann komm her, so schnell du kannst. Ich muss zu Rose Marie, warte in meinem Büro auf mich. Und bring Jenkins und Shrake mit.«
Auf dem Weg zu Rose Marie dachte Lucas: Was ist mit Mrs. Bird, der alten Lady in Rochester? Sie hatte Pope als denjenigen identifiziert, der den Anruf bei Ruffe Ignace gemacht hat. Sie hatte ihn, wie sie sagte, am Telefon gesehen. Und sie hatte Popes Foto aus einem ganzen Fotosatz herausgepickt …
Rose Marie Roux war früher einmal in Minneapolis gewählte Senatorin im Parlament des Staates Minnesota gewesen und wusste, wie die Regierung funktionierte, was nicht immer hilfreich war. Die Finanzkrise des Staates war inzwischen bis zu einem Punkt eskaliert, der Sondersitzungen des
Parlaments erforderlich machte, um zu klären, wo das Geld herkommen sollte, um
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