Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
Telefon klingeln hörte. Ein kurzer Endspurt, die Einkaufstasche ließ ich auf der Treppe stehen.
»Ja?«
»Vesna. Ich weiß, wo wir Freunde von Heller finden.«
»Wo?«
»Im Porscheklub. Da du schaust, was? Er hat immer sehr stolz getan mit seinem schwarzen Porsche, da hab ich mir gedacht, es gibt doch solche Klubs für Autoliebhaber. Kann nicht sehr viele solche Klubs geben, Porsche ist teuer. Also ich finde auch wirklich im Telefonbuch einen Porscheklub Wien und rufe natürlich sofort an. War irgendeine Werbefirma dran, aber dort ist das Sekretariat. Hat mir Sekretärin gleich erzählt, der Chef hat einen Porsche und ist Chef vom Porscheklub. Ich sage zu ihr, dass Heller bei meiner Firma ein paar Extras bestellt hat, aber nun leider ja tot ist. Aber er hat damals gemeint, ein, zwei seiner besten Freunde seien auch interessiert. Wir machen Leder und so spezielle Innenausstattung. Ob sie mir Namen und Telefonnummer von Freunden geben kann. Die ist sehr nett und gibt mir Namen von seinen Freunden. Sie kennt sie, weil sie schreibt bei Sitzungen Protokoll. Mira Valensky, kannst du dir vorstellen, dass es sogar für Porscheklub Sitzungen gibt? Dachte, die fahren Auto und tratschen darüber. Na ja. Klingt wichtiger. Auf alle Fälle gibt sie mir zwei Namen und Telefonnummern, nur Firmennummern, sagt sie, weil private darf sie nicht so einfach weitergeben. Ist mir viel lieber, so weiß man, was die Porschefahrer tun, und du kannst leichter mit ihnen reden. Also, der eine …«
Ich unterbrach Vesna. »Ich muss meine Einkaufstasche von der Treppe holen. Ich brauche Papier und Bleistift. Ich bin zu müde, um überhaupt noch irgendwas zu tun.«
»Müde bin ich auch, gebe ich zu. Ich gehe jetzt schlafen und schlafe mindestens zwölf Stunden. Du solltest das auch tun.«
»Oskar kommt.«
»Großartig!«, jubelte Vesna.
Einige Minuten später hatte ich die Daten von Hellers Freunden notiert. Der eine hieß Gerschläger und war offenbar Chef einer Druckerei. Der mit dem Namen Hammerschmied arbeitete in einer Künstleragentur, vielleicht war er auch ihr Besitzer. Das war schon eher etwas, um ein Lifestyle-Geschichtchen zu basteln. Gismo war während des Telefonats ins Treppenhaus entkommen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass die Türe offen gestanden hatte. Sollte sie tun, was sie wollte. Ich war zu müde, um mit ihr Fangen zu spielen.
Ob ich mich für eine Stunde schlafen legen sollte? Ich sah auf die Uhr. Es war schon gegen halb acht. Außerdem hielt ich es für gut möglich, dass mich in einer Stunde auch der lauteste Wecker nicht mehr aus dem Schlaf hätte reißen können. Ich schenkte mir einen Whiskey ein, öffnete die Eingangstüre und wollte »Gismo« brüllen. Da saß sie ganz brav und mit fragendem Gesichtsausdruck auf der Fußmatte. Offenbar machte ihr ein Ausflug lange nicht so viel Spaß, wenn ich mich weigerte, hinter ihr herzujagen. »Futter, Gismo«, lockte ich, und sie folgte mir bereitwillig. Ich nahm eine der letzten Portionen Rindfleisch von unserer Feldforschungsaktion aus dem Kühlschrank. Es roch schon ein wenig streng. Ob es von einem der Tiefkühlstücke stammte? Gismo jedenfalls fiel mit vor Entzücken zitternder Schwanzspitze darüber her.
Ich hatte mich für Seafood-Linguini entschieden, keine Vorspeise, vielleicht nachher etwas Käse. Auf keinen Fall sollte der Eindruck entstehen, ich wollte Oskar »einkochen«, wie es Vesna genannt hatte. Das Rezept kannte ich noch aus meinen New Yorker Jahren, es war einer der Renner im Lokal gewesen, das dem damaligen Mann in meinem Leben gehörte. Wie lange das schon zurückzuliegen schien. Waren elf Jahre eine lange oder eine kurze Zeit? Vor kurzem hatte mich eine Arbeitskollegin gefragt, ob ich mich schon vor meinem vierzigsten Geburtstag fürchte. »Warum?«, hatte ich ihr erstaunt geantwortet. Ich habe mit Zahlen und Ziffern immer Probleme gehabt. Sie sind für mich seltsam abstrakt.
Ich nahm aus dem Gefrierschrank Garnelen, Shrimps, Anglerfilet und Jakobsmuscheln. Vorsichtig taute ich sie in der Mikrowelle an. Besser, sie waren noch nicht ganz durch als schon warm.
In der Zwischenzeit schnitt ich drei Knoblauchzehen und eine halbe Zwiebel in möglichst feine Scheiben. Was Oskar zu unserem Ausflug sagen würde? Er hatte bisher nie versucht, sich in meine Arbeit einzumischen. Hoffentlich blieb das so. Oder würde ich es ihm sogar übel nehmen, wenn er nicht um mich besorgt war? Immerhin hatte ich mich heute genug gefürchtet. Wer weiß, was geschehen
Weitere Kostenlose Bücher