Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
wäre, hätten uns die drei Männer am Parkplatz entdeckt. Aber Vesna hatte sicher wieder einmal Recht. Der Kopf der Bande würde das Fleisch nicht selbst umladen. Rindvieh.com – ob das eine offizielle Firma war? Schade, dass Vesna das Nummernschild am LKW nicht hatte erkennen können.
Ich konnte es nur vergessen haben, weil ich müde war. Rindvieh.com. Internet. Ungeduldig wartete ich, bis der Laptop sein Programm hochfuhr. Ich schloss das Modemkabel an, linkte mich ein, tippte www.rindvieh.com und wartete. »Seite gefunden.« Es gab also eine solche Seite. Ich musste mir einen leistungsstärkeren Laptop kaufen, allzu lange dauerte es, bis sich die gelbe Schrift vor grünem Hintergrund aufbaute:
»Rindvieh.com – Rindvieh komm! Ihre Webpage zum schnellsten Fleischgenuss. Bestellen sie online!«
Darunter öffnete sich langsam das Bild einer gefleckten Kuh mit einer Butterblume im Maul.
»Oberbayrische Qualität«, stand zu lesen. »Just-in-time-Lieferungen für die gehobene Gastronomie, den Einzelhandel und Großkunden.«
Über Buttons, die der Butterblume im Maul der Kuh glichen, kam man auf die Subpages. »Unser Betrieb in Schönpolding.« Man sah eine dralle junge Frau, die einen großen Teller rohes Rindfleisch präsentierte. Man sah Kühe auf einer Weide mit vielen bunten Blumen. Text gab es wenig: »Hier im idyllischen Schönpolding werden nur Rinder bester Qualität verarbeitet. Rufen Sie uns an, oder schicken Sie ein Fax oder eine E-Mail – wir stellen zu.« Es folgten die entsprechenden Nummern.
Ich ging auf einen anderen Butterblumen-Button. »Unsere Zweigstelle in Wien.« Man sah einen Kühl-LKW mit der Aufschrift »rindvieh.com« vor blitzblauem Himmel stehen. »Oberbayrische Qualität gibt es jetzt auch in Österreich.« Eine Wiener Telefonnummer war angegeben.
Beim dritten Butterblumenbutton stand: »Was Sie schon immer über Rindfleisch wissen wollten.« Ich klickte auch den an. Wieder eine schwarz gefleckte Kuh wie auf der Startseite. Darunter der Text:
»Wer nichts für Rindviecher übrig hat, sollte auch keine essen. Übrigens: Wenn gutes Fleisch auf den Tisch kommt, dann stammt es nur von Ochsen und Stieren. Kühe sind, anders als mancher Liebhaber vermuten wird, nicht zart genug. Nur wenn das Fleisch gut abgehangen ist, bekommt es sein einzigartiges Aroma und zergeht, wie immer es auch zubereitet wird, beinahe auf der Zunge. Rindfleisch enthält eine Menge an wichtigen Nährstoffen und Spurenelementen, es ist fettarm und sehr gesund. Mit rindvieh.com ist es überdies so kostengünstig, wie Qualität nur sein kann. Mahlzeit!«
Unterschrieben war der halblustige Text von »Ihrem Fleischermeister Waldemar Zartl«.
Rindvieh.com existierte also vielleicht tatsächlich, zumindest aber als Scheinfirma für den Fleischumtausch. Ein virtueller Fleischbetrieb war leicht zu gründen.
Ich probierte die Telefonnummern, auf beiden lief dasselbe Band mit dem Hinweis, dass nun gerade keine Geschäftszeit sei, man aber jedenfalls ein Fax schicken, auf das Band sprechen oder eine E-Mail senden könne. Ich speicherte die Homepage und ging zurück in die Küche.
Die Meerestiere waren aufgetaut, ich schnitt die Anglerfilets in große Würfel, zog den Panzer von den Garnelenschwänzen und entdärmte sie sorgfältig. Es war am einfachsten, wenn man einen legalen Fleischereibetrieb hatte. So konnte man ohne Probleme große Mengen an tiefgekühltem Fleisch einkaufen und sie dann gegen qualitativ besseres Frischfleisch austauschen. Fachleute würden sich kein aufgetautes Fleisch aufschwatzen lassen. Im Supermarkt konnte es hingegen lange dauern, bis der Unterschied auffallen würde. Die rote Karin hatte ihn offenbar bemerkt. Waldemar Zartl: War das der Chef von rindvieh.com oder bloß ein erfundener Name für einen erfundenen Fleischermeister?
Ich briet Knoblauch und Zwiebel in Butter und etwas Olivenöl an, gab einen geschnittenen Peperoncino dazu und rührte dann die Garnelenschalen ein. Bei kräftiger Hitze bräunen, dann einen Schuss Cognac in die Pfanne und flambieren. Ich war so sehr in Gedanken, dass ich mich beinahe mitflambiert hätte. Ich hielt die rechte Hand unter das kalte Wasser und fluchte. Das würde eine Brandblase geben. Als ob ich heute nicht schon Blessuren genug davongetragen hätte.
Unwahrscheinlich, dass rindvieh.com bei Ultrakauf keine anderen Verbindungsleute hatte als den oder die LKW-Fahrer. Sie wussten über den Ablauf in den Filialen nicht Bescheid. Wenn man davon ausging,
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