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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Stirn, dann zuckte sie die Achseln. Damit war Sergeant Caudwell zumindest eine Zeit lang ruhig gestellt.
    Obwohl er erst am Vortag aus der Bridge End Farm ausgezogen war, kam es Ben Cooper vor, als durchlebte er die schwierigste Phase seines Lebens. Nachdem er Diane Fry in der West Street abgesetzt hatte, war er zu Fuß durch die Stadt zum Pflegeheim gegangen. Er hatte seiner Mutter versprochen, sie möglichst jeden Tag zu besuchen, was er auch einzuhalten versuchte, auch wenn sie nicht mitbekam, ob er da gewesen war oder nicht.
    Am Ende fiel es ihm schwer, sich loszureißen. Er musste sich in Erinnerung rufen, dass er jetzt ein eigenes Zuhause hatte, obwohl es in Wahrheit lediglich eine fremde Tür in der Welbeck Street und eine dunkle, leere Wohnung war. Allein die dicke, faule Katze im Wintergarten machte den Gedanken, nach Hause zu gehen, halbwegs erträglich.
    Auf dem Heimweg durch die Stadt stand er plötzlich in der Clappergate, am Rand der Fußgängerzone unweit der Ecke High Street. Normalerweise mied er diese Gegend und ging stattdessen lieber ein Stück weiter den Berg hinauf, so dass er durch die Back Lane oder durch die Einkaufszone zur Clappergate kam. Auf diese Weise blieb ihm der Anblick des Blumenbeetes erspart, in dem die Stadtgärtner Osterglocken gepflanzt hatten, damit sie im Frühling blühten. Und auf diese Weise brauchte er nicht die Plakette auf der Holzbank neben dem Blumenbeet zu sehen.
    Aber heute war er so in Gedanken versunken gewesen, außerdem sah die Straße im Schnee anders aus. Das Blumenbeet war stellenweise unter einer Schicht festgefrorenen Schnees verborgen und von unzähligen leeren Flaschen und McDonalds-Verpackungen übersät, die die Passanten hineingeworfen hatten. So kam es, dass Cooper mit einem Mal unmittelbar vor der Bank stand und die Gedenkplakette anstarrte, als wäre sie gerade eben wie ein Meteorit vom Himmel vor seine Füße gefallen. Er sah, dass er nur ein paar Schritte von der Eingangstür des Vine Inn und damit jener Stelle entfernt war, wo sich das Blut zwischen den Pflastersteinen gesammelt hatte.
    Die Plakette glänzte und sah sauber aus, aber er hatte gehört, dass sie manchmal beschmiert und von Graffiti-Künstlern mit roter Farbe besprüht wurde. Die Farbe ließ sich nur schwer von der Plakette entfernen, so wie das Blut vom Straßenpflaster. Zur Erinnerung an Sergeant Joseph Cooper, Polizei Derbyshire, der unweit von hier in Erfüllung seiner Pflicht starb, lautete die Inschrift. Es folgte das Datum, jener Tag im November vor etwas mehr als zwei Jahren, an dem Sergeant Cooper von einer Gruppe Jugendlicher, die sich der Festnahme widersetzt hatten, zu Tode getrampelt worden war.
    Wahrscheinlich hätte sein Vater gegen diesen Tod nichts einzuwenden gehabt. Er hätte keiner dieser alten Männer sein wollen, die im Ruhestand langsam wegdämmerten und keine sinnvolle Aufgabe mehr hatten. Cooper war sicher, dass sein Vater den Ruhestand verabscheut hätte. Er hätte die Aussicht, unwichtig geworden zu sein, nicht akzeptiert, die Aussicht, einfach zu verschwinden, ohne dass es jemandem auffiel. Auf diese Weise würde man sich an Sergeant Cooper stets als an den Mann erinnern, der er war, als er starb, denn die Plakette verschaffte ihm einen festen Platz in der Erinnerung der Nachwelt und verhalf ihm zu Unsterblichkeit.
    Ben wandte sich ab und blickte in Richtung High Street. Vier Frauen kamen ihm auf dem Bürgersteig entgegen. Sie bewegten sich langsam und breitbeinig, wie Cowboys. Sie hatten die Hüte tief in die Augen gezogen, die Arme hingen an den Seiten herab, beladen mit prall gefüllten Einkaufstüten. Die Beleuchtung der Schaufenster von Marks and Spencer warf lange Schatten auf den Gehsteig vor ihnen. Die Frauen waren beim Winterschlussverkauf in den Läden auf der Clappergate gewesen, die auch sonntags geöffnet hatten. Jetzt gingen sie zur Bushaltestelle, um in die Devonshire-Siedlung oder die Reihenhäuser der Underbank zu fahren.
    Cooper wollte ihnen nicht begegnen - nicht, weil sie Fremde waren, sondern weil sie ihn vielleicht erkannten und bemitleideten, wenn sie ihn vor der Plakette stehen sahen. Kurz entschlossen nahm er die Abkürzung durch eine der Seitenstraßen, die hinauf zur Hollowgate und unter dem Uhrenturm des Rathauses hindurch zum Marktplatz führten. Er konnte über den Platz und durch die Passagen am Nick i' th' Tor gehen und dann an der Fargate die Ampel überqueren.
    Der Marktplatz war nahezu menschenleer, nur einige vereinzelte

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