Kaltes Grab
entsetzliche Qualen leiden. Vielleicht stand er ja unter Schock. Er hatte von Schwerverletzten gehört, die noch minutenlang weitermachten, bevor der Schmerz sie übermannte und sie zusammenbrachen.
Cooper erinnerte sich deutlich an einen Aufprall. Und er wusste auch, dass er ein leises, aber deutliches Knirschen von Fleisch und Knochen gehört hatte. Und jetzt weigerte sich sein Körper, die Verfolgung aufzunehmen. Irgendetwas lief hier gründlich schief.
Cooper blickte an seiner rechten Seite herunter. Durch seinen Mantel drang Blut. Ein dicker Tropfen löste sich vom Saum und landete im Schnee, wo er auf der gefrorenen Oberfläche zerplatzte. Das Blut war so dunkel, dass es fast violett aussah.
Als das Adrenalin aus seinen Gliedmaßen wich und das eisige Tauwasser von der Dachrinne auf ihn tropfte, wurde ihm mit einem Mal sehr kalt.
26
D iane Fry hatte Eddie Kemp noch nie gesehen. Doch als der Mann, der ihr in der Gasse entgegenkam, in die Dunkelheit zurückwich, sobald er den Strahl ihrer Taschenlampe und den uniformierten Polizisten neben ihr sah, zweifelte sie nicht mehr daran, wer er war.
Noch im Laufen schaltete sie ihr Funkgerät an. »Ben! Er bewegt sich wieder hinunter, Richtung Eyre Street. Wir haben ihn umzingelt. Ben?« Sie bekam keine Antwort, nahm jedoch an, dass Cooper damit beschäftigt war, Kemp von der anderen Seite in die Zange zu nehmen. Cooper war noch nie ein Mann überflüssiger Worte gewesen.
Als sie um die Ecke lief, prallte sie frontal gegen den Mann, den sie verfolgte. Er war unvermittelt auf der Brücke stehen geblieben, als er den anderen Streifenpolizisten von der Eyre Street herankommen sah.
»Edward Kemp?«
Der Mann machte einen Schritt zurück und holte sofort zum Schlag aus, den Fry jedoch mit Leichtigkeit abblockte. Er war viel zu schwerfällig und zu langsam für geübte Taekwondo-Kämpferin. Im Nu hatte sie ihm den Arm auf den Rücken und den ganzen Mann mit dem Gesicht zur Hauswand gedreht.
»Ob Sie nun Edward Kemp sind oder nicht - Sie sind festgenommen.«
Die beiden Uniformierten legten dem Mann Handschellen an und führten ihn ab. Fry sah sich um. Keine Spur von Ben Cooper.
»Verdammt noch mal, Cooper, machst du wieder mal einen Einkaufsbummel, oder was?«
Ihre Stimme war bei den letzten Worten lauter geworden und hallte in der schmalen Straße wider. Doch als einzige Antwort war das Tosen des Wassers unter der Brücke u nd das Tropfen des Wassers von den Dächern zu hören. Weiter vorn wurde die Tür des Streifenwagens zugeschlagen.
Cooper hatte gesagt, er sei in der Nick i' th' Tor, am Markplatz. Also irgendwo oberhalb der Brücke, vorbei am Buchladen und um die Ecke.
»Ben?«, rief sie.
»Hier.«
Seine Stimme klang seltsam. Fry fing an zu laufen, schlitterte über das Pflaster auf der Brücke. Dann sah sie ihn. Er stand mit dem Rücken zu ihr an ein Garagentor gelehnt.
»Ben?«
»Hallo, Diane.«
»Was machst du da?«
»Nichts Besonderes.«
»Ich glaube, wir haben Kemp erwischt.«
»Gut.«
»Bist du sicher, dass er es ist? Ich habe ihn nicht richtig gesehen. Hat denn in diesem Viertel noch niemand was von Straßenbeleuchtung gehört? Oder ist denen das Gas ausgegangen?«
»Ja, es ist wirklich ziemlich dunkel.«
Sie sah ihn zunehmend ärgerlich an. »Warum lehnst du dich da an?«
»Na ja, ich glaube, in erster Linie deshalb, weil ich mich nicht mehr bewegen kann.«
Fry streckte die Hand nach ihm aus, zog sie jedoch sofort wieder zurück.
»Du glaubst? Soll das ein Witz sein? Falls ja, lasse ich dich eine Woche mit Murfin durch die Gegend fahren, und dann kannst du ja mal seine Zwiebel-Bhajis zahlen.« »Es ist kein Witz, Diane.«
»Herrje, du hörst dich aber nicht an, als wärst du verletzt. Lass mal sehen.« Sie zog die Taschenlampe heraus und richtete den Strahl auf seine Brust. »Wo ist das Problem?«
Cooper knöpfte seinen langen Mantel mit der linken Hand auf. »Hier irgendwo. Ich habe nur kurz etwas gesp ...«
»Nicht anfassen!«
»Was?«
Vorsichtig schob Fry den Mantel mit der Taschenlampe weiter zurück, weit genug, dass Cooper den hervorstehenden Griff sah.
»Sieht aus wie der Griff von einem Bajonett.«
»Zum Glück hat es mich verfehlt.«
»Es hat dich nicht verfehlt«, bemerkte Fry. »Du blutest. Ich rufe einen Krankenwagen.«
»Nein, es hat mich verfehlt.«
Fry richtete den Strahl der Taschenlampe auf das Blut, das in den Schnee tropfte. Es hatte sich in der großen Innentasche des Mantels gesammelt und einen ölig
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