Kaltes Grab
plötzlich Tränen über das Gesicht und auf das Kissen rannen. Sie suchte in der Tasche ihres Nachthemds nach einem Papiertaschentuch.
»Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er irgendwo tot da draußen herumliegt«, sagte sie.
»Wer? Andrew? Oder irgendein Fremder, den du noch nie im Leben gesehen hast?«
»Du verstehst das nicht.«
»Andrew ist nach London zurückgefahren. Das musst du akzeptieren«, sagte Peter.
»Das kann ich erst, wenn er sich meldet. Warum nimmt er das Telefon nicht ab? Warum hat er uns nicht gesagt, wo er ist?«
»Schon gut. Aber was hast du dir dabei gedacht, einfach die Polizei anzurufen und ihnen zu erzählen, du würdest den Mann, der am Snake Pass gefunden wurde, wieder erkennen? Das war dumm. Mehr als dumm. Du hast die Polizei hierher geholt, die Polizei und diese verdammte Frau.«
»Brüll mich nicht so an.«
»Es war jedenfalls mehr als dumm. Genau das hat uns noch gefehlt. Was glaubst du wohl, was mit Vater passiert wäre, wenn der Polizist darauf bestanden hätte, sich mit ihm zu unterhalten? Ich kann nicht glauben, dass du nicht daran gedacht hast. Aber nein, du hast nur an dich gedacht. Irgendwie musstest du deinem Affen Zucker geben. Bei dir geht es immer nur um Andrew, Andrew, Andrew. Du wirst noch ganz verrückt. Merkst du das nicht?«
Grace presste sich das Taschentuch vors Gesicht und versuchte das leise, krampfartige Schluchzen zu unterdrücken, das in ihrer Kehle aufstieg.
»Ich will Zygmunt genauso schützen wie du«, sagte sie.
»Dann tust du es auf sehr seltsame Weise.«
»Aber es stimmt. Wirklich.«
»Ich halte das nicht mehr aus. Definitiv nicht.« Er drehte sich auf die andere Seite, malträtierte wieder sein Kopfkissen und zog ihr fast die ganze Bettdecke weg.
»Bitte dreh dich nicht weg«, sagte Grace.
Ohne ihn zu berühren, wusste sie, dass er völlig verkrampft war. Natürlich hatte Peter Angst. Aber das würde er niemals zugeben. Er machte eine schwere Zeit durch, gerade weil er seinem Vater so nahe stand. Sie akzeptierte das. Das Letzte, was sie wollte, war, es den beiden noch schwerer zu machen. Sie wischte sich die Augen trocken und legte ihrem Mann eine Hand auf die Schulter. Sie fühlte sich kalt und abweisend an. Sie versuchte ihn zu sich herumzudrehen, so dass sie sein Gesicht sehen konnte.
»Peter...«
Er wälzte sich wieder auf den Rücken. »Hör zu, Grace, bitte vergiss Andrew um Himmels willen eine Weile. Er ist es nicht wert. Wir müssen uns um andere Dinge kümmern. Verstehst du überhaupt, was ich sage?«
»Ja, Peter. Ich verstehe dich.«
Mit einem Mal verflog die Anspannung. Peter rollte sich auf die Seite. Er seufzte tief, als hätte ihn plötzlich die Müdigkeit überwältigt, und war nach wenigen Sekunden eingeschlafen. Grace lächelte und tätschelte ihm in der Dunkelheit zärtlich die Schulter. Dann drehte sie sich ebenfalls auf die Seite und schmiegte sich eng an ihn, suchte seine Wärme.
Nachdem Ben Cooper in der West Street untersucht worden war, ließ ihn Diane Fry eine Zeit lang im Ermittlungsraum sitzen und schickte sogar jemanden nach einer Tasse Tee für ihn, gegen den Schock. Cooper wusste, dass in der Stadt jetzt einiges los war; die Passage, in der er angegriffen worden war, würde abgesperrt werden, man würde, wie immer vergeblich, nach möglichen Zeugen suchen. Später würde er eine vollständige Aussage machen müssen. Nicht gerade erfreuliche Aussichten.
Cooper sah, dass auf seinem Schreibtisch ein Stapel Faxe auf ihn wartete, und griff danach. Sie kamen aus Toronto und waren mit dem Vermerk »Ben Cooper persönlich« versehen. Darunter befand sich das Brustbild eines Mannes mit drahtigem Haar und kantigem Unterkiefer, dann ein zweites, auf dem er neben einer Frau stand, die ein kleines Stück größer war als er. Der Mann war als Kenneth Rees, der Stiefvater von Alisons Mutter, angegeben. Trotz der schlechten Qualität der Fax-Kopie bestand kein Zweifel daran, dass dieser Mann nicht Danny McTeague war. Cooper dachte flüchtig daran, dass es allerdings auch keinen echten Beweis gab, dass es sich bei ihm tatsächlich um Kenneth Rees handelte.
Er legte die Faxe wieder zurück. Am nächsten Morgen würde er sie sich genauer ansehen. Bei seinem Gespräch mit Alison Morrissey hatte ihn noch etwas anderes beschäftigt, das er dringend überprüfen musste. Es war nur eine Kleinigkeit gewesen, aber sie hatte ihn an der Zuverlässigkeit ihrer Informationen zweifeln lassen.
Cooper fand den Ordner, den der
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