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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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er noch nie in den Genuss gekommen, mit einem Hubschrauber zu fliegen, und er zweifelte ernsthaft daran, ob er dafür geschaffen war. Keine Frage, er war ein Mann, der am liebsten mit beiden Füßen auf dem Boden stand. Davon hatte ihn die halbe Stunde an diesem Montagmorgen überzeugt.
    Die Passagiere verkrampften sich, als der Pilot den Steuerknüppel nach hinten zog und den Hubschrauber auf die Seite legte, um dem jähen Anstieg aus kahlem, schwarzem Stein auszuweichen, der auf den Karten als Irontongue verzeichnet war. Die Felsen waren zerklüftet und von heimtückischen Spalten durchzogen, in denen gefrorener Schnee aufblitzte. Sogar Bergsteiger hielten sich von der Wand des Irontongue fern. Seine Oberfläche war zu unberechenbar und nur für die Erfahrensten und am besten Ausgerüsteten bezwingbar.
    Der Hubschrauber flog noch einmal über die Absturzstelle, neigte sich zur Seite, wendete und flog wieder zurück, wobei er seinen Passagieren einen guten Blick auf das Wrack bot. Der Schatten der Rotorblätter wirbelte im scharfen Morgenlicht über den Hang und die Trümmer.
    »Nein, das ist nicht das Richtige«, sagte Cooper. »Das hier war eine Fliegende Festung der Amerikaner. In der sind dreizehn Mann umgekommen.«
    Er sah wieder nach unten. Teile des Flugzeugs schienen sich in den Torf gegraben zu haben, wie Höhlentiere, die sich zum Schutz gegen Wind und Schnee einen Bau buddeln wollten, es aber nicht bis unter die schützende Oberfläche geschafft hatten.
    »Im Krieg sind hier viele Maschinen abgestürzt«, fuhr er fort. »Der Peak District war regelrecht übersät damit.«
    In Wahrheit waren es so viele gewesen, dass die Flugzeugwracks Teil der örtlichen Folklore geworden waren. Noch heute kursierten Geschichten von einem Geisterflugzeug, das die Leute an mehreren Stellen am Dark Peak gehört haben wollten, obwohl es niemand je zu Gesicht bekommen hatte. Zeugen zweifelten nicht daran, dass das Flugzeug am Berg zerschellt sein musste, weil es so tief geflogen war. Doch sein Wrack wurde nie gefunden, was den Geschichten jedoch keinen Abbruch tat.
    Es hieß auch, irgendwo im unzugänglichen nördlichen Hochmoor läge ein deutscher Bomber, der nach einem Luftangriff auf Manchester abgeschossen worden sei. Zwar waren in Deutschland hergestellte Munitionskisten in der Gegend gefunden worden, aber auch dieses Wrack hatte nie jemand gesehen.
    »Ich glaube, die Maschine hier ist nicht mal im Krieg abgestürzt, sondern erst 1948. Die Fliegende Festung dort unten gehörte zu einer amerikanischen Luftaufnahme-Einheit. Die Besatzung hatte die Atombombentests im Bikini-Atoll und die russischen Stellungen in Ost-Berlin während der Luftbrücke gefilmt.«
    »Aber an Derbyshire sind sie gescheitert.«
    Erstaunt über die grimmige Heiterkeit in Sergeant Caudwells Stimme runzelte Cooper die Stirn. Dann starrte er wieder aus dem Fenster und stellte erstaunt fest, wie weit die Trümmer über das Hochmoor verstreut waren. Auf dem Weg zur Absturzstelle hatte Cooper die Zeit genutzt und Jane Caudwell die Geschichte vom Absturz der Sugar Uncle Victor und vom Verschwinden von Fliegerleutnant Danny McTeague erzählt. Noch bevor er fertig war, hatte sie die Augen geschlossen.
    »Ich wundere mich, dass niemand die Wracks wegräumt«, sagte Caudwell. »Geht das unseren pingeligen Bürokraten nicht gegen den Strich?«
    »Hier nicht. Im Peak District lässt man sie liegen. Schließlich sind es Ehrenmale. Es sind offizielle Kriegsgräber. Ich finde immer, dass das eigentlich nicht stimmt, ich meine... es liegen ja eigentlich keine Leichen mehr dort, oder?«
    »Hoffen wir's nicht.«
    Der Hubschrauber kam wieder in die Horizontale und flog nach Norden weiter, über mehrere Hektar weißen, torffleckigen Boden hinweg, der sich wie ein wogendes Meer bis zu den Ausläufern des Dark Peak fortsetzte. Kurz darauf entdeckten sie das nächste Trümmerfeld.
    »Das ist es. Sugar Uncle Victor.«
    Caudwell lachte kurz auf. »Hört sich wie ein fieser Verwandter an.«
    Als der Hubschrauber sich auf die Seite legte, glich die Sergeantin das Manöver nicht aus, indem sie sich krampfhaft festhielt, sondern verlagerte ihr Gewicht, wobei sie ab und zu wie ein nachlässig festgezurrtes Gepäckstück gegen Cooper stieß. Ihr Kollege PC Nash hatte seine Anwesenheit kaum zur Kenntnis genommen, seit sie an Bord gegangen waren. Cooper wusste nicht, ob es Gleichgültigkeit war oder ob Nash insgeheim Angst vorm Fliegen hatte und auf seine Weise damit fertig werden

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