Kaltes Grab
gekriegt. Walker und Sykes hießen sie. Sie wurden tagelang verhört, aber nie angeklagt. Ohne das Geld konnte man ihnen nichts nachweisen.«
»Kannten Sie die beiden?«, fragte Cooper.
»Natürlich«, antwortete Rowland. »Walker und Sykes haben zur Kompanie West Edendale gehört. Der eine war vom Wasserwirtschaftsamt und hat sich immer um das Blackbrook-Reservoir gekümmert. Sein Kumpel hat seinen Lebensunterhalt in der Küche vom Snake Inn verdient, soweit ich mich erinnere. Er hat auch nicht richtig englisch ausgesehen, sondern irgendwie dunkler. Einer von denen, die im Krieg immer verdächtig sind. Wer vor dem Krieg schon nicht richtig reinpasste, wurde im Krieg ganz schnell zum Nazispion. Tja, entweder warst du einer von uns oder einer von denen. Ich schätze, dass er sich deshalb zur Home Guard gemeldet hat. Um den Leuten hier zu zeigen, auf welcher Seite er stand.«
»Aber später, nachdem das Geld verschwunden war...«
»Er hatte einfach das Pech, dass man ihm die Schuld in die Schuhe geschoben hat. Als herauskam, dass er Wache gestanden hat, waren alle überzeugt, dass er sich das Geld unter den Nagel gerissen hat. Niemand hat sich groß Gedanken darüber gemacht, wie er das hätte anstellen sollen. Sie wussten einfach, dass er es gewesen war.«
Cooper verzog das Gesicht. »Aber, Mr Rowland, wenn nicht die Männer von der Home Guard das Geld genommen haben, wer dann?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte Rowland. »Warum fragen Sie ausgerechnet mich?«
Cooper spürte, dass er nicht weiterkommen würde. Aber er war ganz sicher, dass Walter Rowland mehr wusste. Er spürte, dass die eine Information, die den Schlüssel zu allem darstellen konnte, zum Greifen nah war.
»Jemand aus der Gegend? Wissen Sie nicht vielleicht doch...?«
»Ich habe keine Ahnung«, beharrte Rowland. »Es ist auch egal.«
In der Stimme des alten Mannes lag eine Schicksalsergebenheit, die vorher noch nicht da gewesen war. Obwohl er versuchte die Fragen zu beantworten, fiel es ihm schwer, das Interesse dafür aufzubringen. Er war dem Rand der Verzweiflung noch ein paar Zentimeter näher gekommen. Cooper wusste, dass etwas nicht stimmte und dass es mehr war als die schmerzenden Gelenke des alten Mannes.
»Einen Augenblick«, sagte er. »Bleiben Sie sitzen und rühren Sie sich nicht von der Stelle.«
Er ging in die Küche zurück und betrachtete die Hintertür. Das Schloss fehlte vollständig, dort, wo der Schließzylinder sitzen sollte, befand sich nur ein rundes Loch, und dem nackten Holz war deutlich anzusehen, dass es erst seit kurzem freilag. Er drückte die Tür am äußersten Rand auf und blickte in einen kleinen, schuppenähnlichen Anbau an der Rückseite des Hauses. Darin stand eine Werkbank inmitten auf dem Boden verstreuter Holzspäne. Aber es gab kein Werkzeug. Die Regale über der Werkbank waren leer. Man konnte noch erkennen, wo einmal ein Schraubstock befestigt gewesen war, doch da war kein Schraubstock mehr. Die Tür, die nach draußen führte, war mit Gewalt aufgebrochen worden, und frische Holzsplitter ragten gefährlich in die Luft.
»Bei Ihnen ist eingebrochen worden«, stellte Cooper fest. »Jemand hat Ihre Werkstatt geplündert.«
»Ja«, bestätigte Rowland.
»Haben Sie Anzeige erstattet?«
»Bei der Polizei? Das hat wohl nicht viel Sinn.«
»Warum nicht?«
»Ihr hättet doch sowieso nichts unternommen. Es gibt andere Leute hier, die mehr auf die Beine stellen. Also hab ich denen Bescheid gesagt.«
Cooper starrte den alten Mann an. »Von wem reden Sie, Mr Rowland?«
»Leute aus der Stadt, die Einbrecher und Drogenhändler nicht leiden können. Leute, die was dagegen unternehmen.«
»Sie meinen... eine Bürgerwehr?«
Rowland wich seinem Blick aus. Cooper wusste, dass er nicht mehr aus dem alten Mann herausbekommen würde. Er dachte wieder an die beiden Jugendlichen, die im Krankenhaus gelandet waren, und an das Videoband der Überwachungskamera, auf dem Eddie Kemp zu erkennen war.
»Ich schicke Ihnen jemanden vorbei, der die Einzelheiten des Vorfalls aufnimmt und nach Fingerabdrücken sucht«, sagte er. »Wenn Sie eine Liste der gestohlenen Sachen zusammenstellen könnten, fordern wir die Leute auf, die Augen danach offen zu halten.«
Rowland senkte den Kopf. Sein Vorschlag schien ihn nicht besonders zu interessieren. Er betrachtete immer noch den Teebecher und hatte die verkrümmten Hände vor sich auf den Tisch gelegt, während er zusah, wie der Dampf aufstieg und sich auflöste.
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