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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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bemerkte, dass Fry die Jacke auszog, es sich dann aber anders überlegte und sie zitternd wieder überstreifte, ehe sie den Kragen enger und den Schal fester zog.
    »Ich bin ja mächtig beliebt in letzter Zeit«, bemerkte Malkin. »Die Leute geben sich regelrecht die Klinke in die Hand.«
    »Tut uns Leid, dass wir Sie noch einmal belästigen müssen, Sir.«
    »Ganz bestimmt.«
    Das Wohnzimmer sah noch genauso aus wie vor ein paar Tagen, als Cooper da gewesen war. Malkin zog die Vorhänge abends nicht zu. Es wäre auch sinnlos gewesen, denn in der Umgebung gab es weit und breit keine anderen Häuser, und auf dem Weg vor dem Haus fuhr abgesehen von Malkins Freund Rod Whittaker keine Menschenseele vorbei.
    Auf einer Fensterbank stand eine Sammlung leerer Gläser. Sie sahen aus, als hätten sie einmal Erdbeermarmelade oder Gelee enthalten, aber die Papieraufkleber waren entfernt und die Gläser ausgewaschen worden. Jetzt standen sie herum und setzten Staub an. In dem Glas, das Cooper am nächsten stand, lagen mehrere vertrocknete Spinnen. Ihre dünnen, zerbrechlichen Beinchen, kaum dicker als ein Haar, waren noch in der Haltung gebogen, in der sie der Tod in ihrem Gefängnis ereilt hatte.
    »Wie lange leben Sie schon allein?«, fragte Cooper.
    »Florence ist vor fast drei Jahren ins Pflegeheim gekommen.«
    »Das ist lange, wenn man ganz allein ist.«
    »Erst recht, wenn man nicht daran gewöhnt ist. Wir haben vor achtunddreißig Jahren geheiratet. Wenn man dann plötzlich allein dasteht, wird man ein bisschen wunderlich. Zuerst fällt es einem gar nicht auf, es sei denn, jemand macht einen darauf aufmerksam.«
    »Ohne Heizung zu leben, beispielsweise?«, meinte Cooper.
    Malkin lachte. Es hörte sich an, als schaufelte jemand Rollsplitt. In seinem Mundwinkel sammelte sich Speichel.
    »So was brauch ich nicht«, sagte er. »Nicht für mich. Und ich mache es hier nicht ständig brüllend heiß, nur für den Fall, dass irgendwann Besuch kommt, wie Sie zum Beispiel. Sie sind bestimmt Städter.«
    Cooper wollte gerade verneinen, als ihm einfiel, dass er tatsächlich in der Stadt wohnte. Und zwar schon seit Samstag. Malkins ruppige Fürsorge rührte ihn, gleichzeitig ärgerte es ihn, dass der alte Mann so selbstverständlich davon auszugehen schien, sein Besucher sei ein verweichlichter Stadtbewohner.
    »So ein Wetter wie hier gibt's in der Stadt überhaupt nicht«, sagte Malkin. »Wenn man ein bisschen verpimpelt ist, mein Freund, sollte man eben einen Pullover mehr anziehen, wenn man rausgeht. Das hat uns unsere Mama immer gesagt.«
    Cooper hatte sich selbst nie für »verpimpelt« gehalten - für verweichlicht, zu empfindlich für die Kälte. Mit diesem ironischen Ausdruck machten sich die Einheimischen sonst eher über die Leute aus dem Süden lustig. Aber Cooper kam nicht aus dem Süden, sondern war selbst ein Einheimischer. »Verpimpelt« war etwas für Großstadtpflanzen.
    Trotzdem unterschied sich Coopers Lebensstil beträchtlich von dem George Malkins, und Behaglichkeit war für ihn mit einigen Stufen mehr auf dem Thermostat verbunden. Er hatte eine deutlich niedrigere Toleranzschwelle, was Unbequemlichkeit und Entbehrungen anging. Deshalb war er in den Augen der George Malkins dieser Welt also vielleicht doch verpimpelt. Vielleicht hatte er den Draht zu diesen Leuten verloren, sich innerlich weiter von ihnen entfernt, als ihm bewusst gewesen war. Letztendlich war das Band zwischen ihnen kein genetisches, sondern ein soziales, das leicht zerriss, wenn man es überdehnte.
    »Ich muss zugeben, dass Florence sich schämen würde, wenn sie wüsste, wie ich jetzt lebe«, sagte Malkin.
    Cooper spürte, wie ihn eine Woge des Mitgefühls übermannte. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass dem alten Mann genau jene Art von Unterstützung fehlte, die ihn auf einem normalen Kurs gehalten hätte. Wenn man allein lebte, verfiel man nur allzu rasch in einen Lebensstil, der anderen seltsam vorkam.
    »Detective Cooper hat sich gestern lange mit Walter Rowland unterhalten«, sagte Fry. »Detective Cooper kann den Leuten sehr gut Informationen entlocken. Offenbar vertrauen sie ihm.«
    Malkins Blick wanderte von Fry zu Cooper und verharrte auf dem Polizisten, der sichtlich nervös wurde.
    »Sie und Ihre Familie sind als leidenschaftliche Sammler von Flugzeugandenken bekannt«, fuhr Fry fort. »Stimmt das?«
    »Kann gut sein. Über die Jahre ist so allerhand durch unsere Hände gegangen. Mein Dad war absolut verrückt danach, das gebe ich

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