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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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die in der Feuchtigkeit, die durch das Leder gedrungen war, aneinander klebten.
    Als Cooper die Tasche ein wenig kippte, rutschten ganze Berge Papier heraus. Sie glichen Platten aus gefrorenem Schnee, die auf den Boden fielen und sich dort in schmutzige, eisverkrustete Rechtecke teilten. Cooper wusste sofort, was er vor sich hatte.
    »Banknoten«, sagte er.
    »Das ist unmöglich«, sagte Fry.
    »Sie werden feststellen, dass sie echt sind«, sagte Malkin.
    »Aber sie sind weiß. Ist die Farbe ausgeblichen? Ist es eine ausländische Währung?«
    »Nein«, sagte Cooper. »Es sind britische Pfund Sterling.«
    Cooper hob den Blick, doch er konnte George Malkins ausdrucksloses Gesicht kaum erkennen. Erstaunlich, dass ein so beleibter Mann fast vollständig mit den Schatten außerhalb des Lichtkegels verschmelzen konnte. »Mr Malkin?«
    »Ja, das stimmt«, bestätigte Malkin. »Aber es wundert mich nicht, dass Sie so was noch nie gesehen haben. Dazu sind Sie viel zu jung, Sie beide.«
    »Aber ich habe davon gehört«, sagte Cooper. »Das sind Fünfpfundnoten, stimmt's? Weiße Fünfer. Die sind schon seit fünfzig Jahren nicht mehr im Umlauf.«
    »Ganz recht. Weiße Fünfer. Ein Teil des Soldes für den Stützpunkt Benson.«
    Gemeinsam trugen sie die Taschen ins Haus. Auf dem Wohnzimmertisch sahen die Banknoten fast aus, als gehörten sie dorthin, als wären sie wieder in ihrer eigenen Zeit angekommen. Es war, als wäre ein Teil von George Malkins Leben im Jahre 1945 eingefroren worden und hätte sich seitdem nicht mehr verändert.
    »Am Anfang haben wir gedacht, es wäre ein abgeschossenes deutsches Flugzeug«, erklärte Malkin. »Es hat schon vorher Gerüchte von einer Junkers gegeben, die in der Nähe von Manchester heruntergeholt worden war. Deshalb haben wir gedacht, es ist nichts dabei, wenn wir die Taschen nehmen.«
    »Aber später müssen Sie doch mitbekommen haben, dass es ein britisches Flugzeug war.«
    »Da war es zu spät. Uns war klar, dass wir niemandem was von dem Geld erzählen durften. Ted hat gesagt, ich darf auf keinen Fall was verraten. Aber das hätte er mir nicht erst zu sagen brauchen. Ich hab immer gedacht, Ted weiß schon, was wir mit dem Geld machen. Ich hab gedacht, er hat einen Plan. Er hat mir nie gesagt, was für einen, aber damals war ich nur der dumme kleine Bruder, der nicht alles zu wissen braucht. Als er zum Militär gegangen ist, hab ich gedacht, wenn er zurückkommt, machen wir etwas mit dem Geld. Ich hab gedacht, dann sagt er mir endlich, was er damit vorhat, weil ich dann siebzehn und alt genug bin. Aber dann kam Ted eben nicht mehr wieder.«
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Ted ist gleich mit achtzehn eingezogen worden. Man hat ihn nach Malaysia geschickt. Er war tot, noch bevor er neunzehn wurde. Ein chinesischer Kommunist hat ihn erschossen, als seine Einheit in einen Hinterhalt geriet.«
    »Haben Ihre Eltern denn nichts von den Taschen gewusst?«, fragte Cooper. Malkin schüttelte den Kopf. »Wie haben Sie es geschafft, es ihnen zu verheimlichen?«
    »Ich hab die Taschen im alten Bergwerk gelassen, wo wir sie versteckt hatten. Als junger Mann bin ich manchmal mit einer Lampe hingegangen, hab die Taschen rausgeholt und mir das Geld angeschaut. Ich wusste nicht, was ich damit anfangen soll, aber ich wusste, dass ich eines Tages irgendetwas damit machen würde. Dieses Geheimnis hat mir das Gefühl gegeben, anders als die anderen Kinder zu sein, und ich hab mich wirklich für einen heimlichen Millionär gehalten. Das hat mir immer geholfen, wenn es mir mies ging. Die Taschen waren wie Freunde, die nur darauf warten, mir aus der Patsche zu helfen, wenn ich sie mal brauche. Sogar nach dem Tod von Mum und Dad hab ich die Taschen nicht ins Haus geholt. Zeit ihres Lebens haben sie nichts von dem Geld gewusst, und als sie tot waren, kam's mir nicht richtig vor, es herauszuholen. Solange das Haus noch voller Erinnerungen an sie war, hatte ich das Gefühl, dass ich ihnen dadurch mein Geheimnis verraten würde. Schon komisch, wie lange es dauert, bis manche Leute einen Ort verlassen haben, nachdem sie gestorben sind.«
    Cooper nickte. »Sie haben die Taschen also nie woanders hingebracht?«
    »Nur einmal. Eines Tages hab ich ein paar Höhlenforscher im Bergwerk gesehen, mit Stricken und Helmen, die volle Ausrüstung. Solange sie drin waren, konnte ich ja nichts machen, aber ich hatte eine Heidenangst, dass sie die Taschen finden. Meine Taschen. Ich hab mir vorgestellt, wie einer von ihnen mit

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