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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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hindurchzwängen musste. Schnee war hineingeweht, dahinter war der Boden nur ein wenig feucht und glitzerte im Licht einer alten Fahrradlampe, die Malkin aus der Tasche gezogen hatte.
    »Wir hätten einen Akkuscheinwerfer aus dem Wagen mitbringen sollen«, sagte Fry. »Ich sehe so gut wie nichts.«
    »Das geht schon«, sagte Malkin. »Wir müssen sowieso nicht viel lesen oder so was.«
    Wie alle Höhlen oder Bergwerksstollen, egal wie klein und unbedeutend sie waren, erklangen auch hier aus den dunkelsten Ecken unidentifizierbare Geräusche und Echos, und aus bestimmten Blickwinkeln sah das Gestein in den hintersten Nischen wie drohend gereckte schwarze Fäuste aus. Es roch nach nassem Sand, und die feuchte Luft legte sich wie eine Decke über die drei, als befänden sie sich bereits unter dem Grundwasserspiegel.
    Der schwankende Strahl von George Malkins Fahrradlampe blieb an einem tiefen Spalt in der Wand hängen. Malkin wuchtete einen ungefähr dreißig Zentimeter großen Steinbrocken beiseite und tastete suchend mit einer Hand in dem Spalt herum, ehe er ein Stück hellblaue Ballenschnur hervorzog, die der einzige Farbtupfer in der Dunkelheit zu sein schien. Zunächst hatte es den Anschein, als sei überhaupt nichts am anderen Ende, doch dann kam ein dünnes Seil zum Vorschein, das an der Schnur festgeknotet war.
    »Vielleicht helfen Sie mir mal«, sagte Malkin.
    Cooper ergriff das Seil, worauf die beiden Männer mit vereinten Kräften zogen, während Fry die Lampe hielt. Das Licht erlosch einen Augenblick, worauf Fry die Lampe schüttelte, so dass die Batterie wieder mit den rostigen Kontakten in Berührung kam. Tiefer im Berg hörte Cooper ein schleifendes Geräusch. Er spürte den Widerstand von etwas Schwerem am Seil, etwas, das an jeder Unebenheit hängen blieb. Er und Malkin schienen in einem Winkel von etwa fünfundvierzig Grad zu ziehen.
    »Sieht aus wie eine Ledertasche«, sagte Fry, die über die Schultern der beiden Männer in die Öffnung spähte. »Nein, zwei Taschen ... da ist noch eine zweite dran.«
    »Genau. Es waren zwei«, sagte Malkin, als die Taschen in dem Felsspalt erschienen. »Mein Bruder und ich konnten sie kaum tragen. Natürlich war ich damals noch ein kleiner Junge. Ich war so klein, dass ich hier durch dieses Loch gepasst hab. Weiter unten wird der Boden flach wie ein Brett. Ted hat mich runtergeschickt und mir dann die Taschen gereicht. Ich weiß noch, dass sie am Anfang festgesteckt haben, und sie waren so schwer, dass ich dachte, ich komm nie wieder raus. Aber Ted war ja dabei. Der hätte mich gerettet, wenn ich stecken geblieben wäre.«
    Cooper hielt das Seil, und Malkin packte die Taschen an den Lederriemen. »Es war stockfinster da unten«, sagte er. »Ich kann Dunkelheit nicht leiden. Schon als ganz kleines Kind hab ich mich im Dunkeln gefürchtet. Dunkelheit und tiefes Wasser... davor hab ich echt Angst. Ich hab immer Albträume gehabt, ich sitz irgendwo in der Falle, und dann strömt Wasser herein. Man möchte meinen, dass sich das irgendwann gibt, wenn man älter wird. Aber nach Teds Tod ist es nur noch schlimmer geworden. Ich schätze, das lag daran, weil ich wusste, dass er nicht mehr da war, um mich zu retten.«
    Sie stellten die Taschen auf den Boden. Fry kauerte sich mit der Lampe davor und schüttelte sie ab und zu, damit der Strahl nicht wieder erlosch. »Wir hätten wirklich mehr Lampen mitbringen sollen«, sagte sie. »Das ist doch lächerlich.«
    »Wir werfen nur einen kurzen Blick darauf, dann nehmen wir die Taschen mit ins Haus«, sagte Cooper.
    »Sie brauchen nicht lang, um zu sehen, was es ist«, sagte Malkin. Er stand über ihnen, und seine Stimme klang unnatürlich weit entfernt und hallend, als sitze er dort unten in dem Loch, in das ihn sein Bruder als Junge geschickt hatte.
    Coopers Finger bewegten sich ungeschickt in den Handschuhen, und die Riemen der ersten Tasche waren so steif und brüchig geworden, dass er sie nur mit Mühe durch die Schnallen ziehen konnte. Er bemerkte, dass er eine Art Satteltasche vor sich hatte, wie sie die Wells-Fargo-Postreiter in den Western hatten. Sie war prall mit etwas Festem, Weißem gefüllt. Cooper traute seinen Augen nicht.
    »Halt die Lampe näher ran.«
    Fry ging neben ihm in die Hocke. Er hörte sie in sein Ohr atmen und sah ein Wölkchen ihres Atems durch den Lichtstrahl schweben. Er zerrte am Inhalt der Tasche, bis sich ein Klumpen der weißen Masse löste. Der Tascheninhalt bestand aus fest gepackten Bündeln,

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