Kaltes Grab
die Flieger-Memorabilia befanden. Ein zweites Zimmer war wie eine Art Arbeitszimmer hergerichtet, in dem mehrere Computer leise vor sich hin summten. Kein Wunder, dass so viele Bücher auf dem Gang gestapelt waren. Sie mussten zuvor allesamt aus den beiden Zimmern herausgeräumt worden sein.
Zwischen den Bücherstapeln fand Cooper, was er suchte - eine Tür mit einem kleinen Absatz davor, hinter der sich kein Zimmer, sondern eine weitere Treppe befand. Sie war schmal und nicht mit einem Teppich versehen. Im obersten Stock lagen Lawrences Wohnräume: ein unordentliches Wohnzimmer, ein Bad und ein großes Schlafzimmer mit einem riesigen, schmiedeeisernen Bett. Cooper sah sich nach irgendwelchen Hinweisen auf Marie Tennents Anwesenheit um, als er über sich ein Geräusch hörte. Das typische Trippeln von Ratten. Auf nackten Dielen machten sie einen solchen Lärm, dass es sich anhörte, als trügen sie Nagelstiefel; dazu das leise, schleppende Scharren, das nur allzu deutlich das Bild eines schuppigen Schwanzes heraufbeschwor, der über den staubigen Dachboden schleifte.
Diane Fry stand auf der Schwelle zum Schlafzimmer und beobachtete Cooper wortlos. Er sah, wie sie erschauerte, als sie das Getrappel hörte.
»Das war gerade das Krankenhaus«, sagte sie.
»Lawrence?«
»Leider ja.«
Cooper ließ sich auf das Bett sinken, das mit protestierendem Quietschen nachgab.
»Du hast dein Bestes getan, Ben«, beruhigte ihn Fry. »Niemand hätte mehr tun können.«
»Aber ich hätte es früher tun können. Ich habe Lawrences Lesezeichen schon vor einer Woche in einem von Maries Büchern gefunden. Ich habe gewusst, dass sie hier gewesen ist. Marie hat alle möglichen Bücher gelesen, nicht nur Danielle Steel. Die Regale in ihrem Haus waren voll davon. Sie hat mehr Geld dafür ausgegeben, als sie sich leisten konnte, weil sie immer noch mehr Bücher haben wollte. Lawrence Daley war in Wahrheit ihr Typ, nicht Eddie Kemp. Sie hat den Rat ihrer Mutter befolgt und sich einen besseren Mann gesucht. Als Marie ihrer Mutter erzählt hat, dass der Vater des Kindes ein eigenes Geschäft hat, meinte sie damit keinen Fensterputzer, verdammt noch mal!«
»Wir hätten nicht mehr tun können, Ben.«
»Doch«, widersprach Cooper. »Wir hätten das Baby finden können.«
Cooper stand auf, und Fry musste ihm ausweichen, als er sich an ihr vorbeischob. Er ging die Treppe hinunter und in das große Zimmer, in dem Lawrence seine Erinnerungsstücke aufgebaut hatte. Nun, da ihr Besitzer tot war, wirkten der Irving-Anzug, die Fliegerhauben und die persönlichen Gegenstände der längst verstorbenen Flieger ganz besonders unheimlich und bedrückend. Cooper stieß die Tür nach draußen auf und trat auf die Feuerleiter. Kalte Luft strömte herein und ließ die Spinnweben aufwirbeln. Der Hof unter ihm war unberührt, die undeutlichen Umrisse von der frischen Schneedecke des Vortags verhüllt.
Die Gasse dahinter stand voller Polizeifahrzeuge mit laufenden Motoren. Er hörte ein Knacken, als ein Mitarbeiter der Spezialeinheit mit einem Brecheisen das Vorhängeschloss am Hoftor aufbrach. Doch die Polizisten hatten wegen des hohen Schnees Schwierigkeiten, die Türflügel aufzudrücken. Je mehr sie fluchten und schoben, umso mehr Schnee schob sich dahinter zusammen, so dass sie sich ebenso gut gegen eine Ziegelmauer hätten stemmen konnten.
»Schaufeln!«, rief ein Sergeant. »Wir müssen hier erst freischaufeln.«
Cooper stieg die Feuerleiter hinunter, deren Stufen gefährlich glatt waren. Seine Hände hinterließen Abdrücke in der Schneekruste auf dem Geländer, unter der sich eine Eisschicht befand, die sich wie Sandpapier unter seinen Fingern anfühlte.
Unten blieb Cooper stehen und sah sich um. Der Schnee der Vorwoche hatte sich so gut gehalten, weil zu keiner Tageszeit ein Sonnenstrahl in den Hof fiel. Ringsum ragten die Brandmauern der angrenzenden Gebäude so hoch empor, dass in dieser Jahreszeit überhaupt keine Sonne durchkam.
Schwarze, gusseiserne Regenrinnen zeichneten ein kompliziertes Spinnennetz auf die kahlen Mauern der Gebäude ringsum, auf deren Rändern sich der Großteil der Stare von Edendale drängte und den Sonnenaufgang über den Dächern mit lautem Gezwitscher begrüßte.
Cooper folgte den Pfotenabdrücken der Katze, die durch den frischen Schnee über den Hof spaziert war. Sie wiederum folgten den Vogelspuren, machten aber nirgendwo Halt - wahrscheinlich waren die Vögel schon längst weggeflogen. Stare waren nicht
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