Kaltes Grab
besonders schlau, aber sie wussten, dass sie verschwinden mussten, sobald eine Katze auftauchte. Die Spuren führten fast um den ganzen Hof herum, ehe sie zu einem der schneebedeckten Hügel hinüberschwenkten. Cooper kratzte ein wenig Schnee ab. Es war ein Rad mit einem Teil des Fahrwerks. Ein stechender Geruch stieg ihm in die Nase. An der Stelle, wo das Rad auf dem Boden stand, sah er einen gelben Fleck, daneben mehrere kleine, in den Schnee geschmolzene Löcher. Hier hatte die Katze ihr Revier markiert. Dann war das Tier zum nächsten Gegenstand geschlichen, hatte ihn eine Weile umkreist und war dann hinaufgesprungen, und von dort aus auf die Mauer und hinüber in den Nachbarhof.
Es war nicht schwer zu erkennen, worum es sich bei dem betreffenden Gegenstand handelte. Aus dem Schnee ragten die Läufe zweier verrosteter Vickers-Maschinengewehre. Sie erhoben sich aus einem kuppelartigen Gebilde, das wie ein riesiger Helm aussah. Es war ein Geschützturm. Cooper berührte einen der Läufe an der Mündung, worauf er sich ein Stück in seinem Lager drehte und sich etliche Quadratzentimeter Schnee lösten und langsam von der Plexiglaskuppel rutschten. Durch die so entstandene Lücke in der Schneedecke erkannte Cooper den Sitz des Schützen und etwas Dunkles, das darüber geworfen war.
Hinter ihm setzte die Spezialeinheit mit einem Land Rover rückwärts an das Tor heran. Aus dem Wagen wurden Schaufeln geholt, mit denen der Hof frei geschaufelt werden sollte.
Die Auspuffgase des Fahrzeugs legten sich über den gesamten Hof, bis der Gestank den kalten, sauberen Geruch des Schnees überdeckte.
Cooper konnte nicht warten, bis die Suche offiziell begann. Er musste wissen, was sich in dem Geschützturm befand, was in diesem zellenartigen Verschlag zurückgelassen worden war, in der auch Sergeant Dick Abbott an Bord der Sugar Uncle Victor den Tod gefunden hatte. Vielleicht fand er ja eine weitere Irving-Jacke, eine Fallschirmausrüstung, eine Fliegerhaube oder andere persönliche Ausrüstungsgegenstände, die ihm etwas über den Mann erzählen konnten, der in dieser Enge gelebt und gekämpft hatte und vielleicht sogar gestorben war.
Doch das Loch war zu klein, um genug zu sehen. Cooper wischte mit der Hand über das Plexiglas, bis ein weiterer Brocken Schnee wegbrach und knirschend auf seine Stiefel fiel. Im ersten Augenblick war alles verschwommen, weil das Schmelzwasser lange Schlieren auf der Scheibe hinterließ. Doch es dauerte nicht lange, bis es sich gesammelt hatte, von der gewölbten Oberfläche ablief und in den Schnee tropfte.
Das Tropfen nahm Coopers ganze Aufmerksamkeit gefangen und ließ die Rufe der Beamten und den Motorenlärm des Land Rover in den Hintergrund treten, bis sie kaum mehr als eine leise Irritation am Rande seiner Wahrnehmung waren. Cooper musste sich regelrecht davon losreißen und sich auf das Loch konzentrieren, das er auf dem Plexiglas frei gemacht hatte.
Erst in diesem Moment sah er die Augen.
Grace Lukasz nahm die Oblate in den Mund und nippte mit geschlossenen Augen am Wein. Der Leib Christi lag auf ihrer Zunge. Sein Blut benetzte ihre Lippen. Jesus Christus hatte sein Leben hingegeben. Aber Grace kannte auch die Geschichte aus dem Alten Testament, von dem Sündenbock, den man gezwungen hatte, alle Sünden des Stammes auf sich zu nehmen, und dann in die Wildnis gejagt hatte. Nicht jeder, der sich opfert, tut es aus freien Stücken.
Andrew war schon immer hitzköpfig und stur gewesen, aus dem gleichen Holz wie der Alte geschnitzt, sagten die alten Leute. Er kam eindeutig mehr nach Zygmunt als nach Peter. Er hatte dasselbe trotzige Kinn, dieselben blauen Augen und verfügte über dieselbe Halsstarrigkeit. Aber in einem wichtigen Punkt unterschied sich Andrew von seinem Großvater - er war geldgierig. Das hatte sie jetzt erst erkannt. Sie begriff, dass Zygmunt Andrew gemeint hatte, als er von Aasgeiern sprach. Peter war gezwungen gewesen, sich zwischen seinem Sohn und seinem Vater zu entscheiden - und er hatte Zygmunt gewählt, hatte sich nicht für seine Zukunft, sondern für seine Herkunft entschieden.
Grace musste dafür sorgen, dass sie wieder froh wurde. Es gab keine andere Möglichkeit, sich all dem zu stellen. Es war die Zeit der Vergebung, der Versöhnung. Das Opfer war gebracht worden, und jetzt würde endlich Frieden in der Familie herrschen. An diesem Morgen hatte Peter zufrieden ausgesehen, vielleicht nicht gerade glücklich, aber zumindest weniger gequält. Grace war immer
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