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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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traten und auf das Eintreffen des Arztes warteten, der offiziell feststellte, dass die Frau tot war und sich nicht lediglich kryogenetisch tiefgefroren in einem Stadium des Scheintods befand. Einer der Rettungsmänner war ein Peak Park Ranger mittleren Alters, der in seinem Leben zweifellos schon die eine oder andere Leiche gesehen hatte. Er riss einen Witz darüber, dass der Arzt sich erst einen Eispickel borgen müsste, wenn er sein Rektalthermometer einsetzen wollte, was die Umstehenden mit einem verwegenen Lachen quittierten.
    Liz Petty hatte Cooper zum Fundort begleitet, obwohl sie dort noch nichts ausrichten konnte. Sie hatte immer noch den Helm auf dem Kopf, und als sie Cooper jetzt ansah, bemerkte er das eifrige Glühen in ihren Augen.
    »Vielleicht ist das ja Mrs Schneemann.«
    »Wer weiß?«
    »Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich Ihnen helfen kann; sobald Sie sicher sind, dass sie tot ist.«
    Am Morgen hatte der Pilot eines kleinen Flugzeugs Marie Tennents Silhouette auf dem Torf erspäht, nachdem der Schnee allmählich von ihren Schultern gerutscht war. Es war gerade noch rechtzeitig gewesen, denn inzwischen hatte es wieder geschneit, und so wie der Himmel im Norden aussah, hätte Marie ebenso gut noch ein paar Tage unentdeckt bleiben können.
    Cooper stellte fest, dass Liz immer noch neben ihm stand und ihn nachdenklich ansah.
    »Ich vermute, dass es sich um Selbstmord handelt«, sagte sie.
    »Es wird wohl zunächst auf einen Unfalltod hinauslaufen.«
    »Wollte bei schlechten Wetterverhältnissen einen Berg besteigen, ist abgestürzt und später an Erschöpfung gestorben, bevor sie gefunden wurde? Hört sich schlüssig an.«
    »Das passiert hier ständig. Als ob die Leute das schlechte Wetter für ein bisschen Zuckerguss hielten, ein Extra-Bonus der Parkverwaltung, um die Landschaft ein bisschen malerischer zu gestalten.«
    Cooper drehte sich um und blickte über das Hochmoor. Heute sah der Peak District tatsächlich wie eine Szene aus den altmodischen Wintern aus, von denen die Leute immer sprachen. Der Schnee, der Anfang der Woche gefallen war, hatte die vertrauten Umrisse der Landschaft abgerundet, bis die Hügel und Täler fast unkenntlich geworden waren.
    Jeder, der schon vor Mitte der Achtzigerjahre in der Gegend gewohnt hatte, kannte seine eigenen Geschichten von unermesslichen Schneefällen, die alles zum Erliegen brachten, von mannshohen Schneewehen und davon, wie die Leute auf den zugefrorenen Flüssen Schlittschuh liefen.
    Angeblich war Burbage Edge einmal in zehn Meter hohen Schneewehen untergegangen. Danach hätten die Birken Jahre gebraucht, um sich von den Schäden zu erholen, denn der Schnee hatte ihre Zweige und Äste wie Streichhölzer abgeknickt und einen nach dem anderen abgerissen. An solchen Tagen war es einfach idiotisch, sich ins Hochmoor hinauszuwagen.
    Cooper drehte den Plastikbeutel mit der Brieftasche der Frau um, die er in ihrer linken Manteltasche gefunden hatte, dem ersten Teil von ihr, der sich aus dem Schnee gelöst hatte. Eine Scheckkarte und ein Kontoauszug wiesen sie als Marie Tennent aus, wohnhaft in Edendale in der Dam Street 10. Warum hatte niemand Marie Tennent als vermisst gemeldet? Auch ohne nachzusehen wusste er, dass sie nicht auf der Vermisstenliste stand, da er sie erst gestern mit Gavin Murfin durchgegangen war, und Marie lag schon länger hier. Wo also war Maries Familie? Was war mit ihren Freunden und Nachbarn?
    Der Autopsiebericht würde ihnen verraten, ob Marie Tennent schon vorher verletzt und vor Kälte zusammengebrochen war, oder ob sie sich einfach hingelegt hatte und erfroren war. Die körperlichen Gegebenheiten konnten bei der Obduktion festgestellt werden, aber keine noch so genaue Untersuchung ihres Gehirns gab Aufschluss über ihre geistige Verfassung vor ihrem Tod.
    »Da sind Tierspuren«, bemerkte Liz. »Sie können bei der Bestimmung des Todeszeitpunkts hilfreich sein.«
    »Ja. Danke.«
    Cooper sah der toten Frau ins Gesicht. Sie lag zusammengerollt auf der Seite, hatte ihm den Kopf zugewandt, die Hände an den Schläfen, als hätte sie sich die Ohren zugehalten, um den nahenden Tod nicht hören zu müssen. Ihre Augen waren geschlossen, die Haut im Gesicht war weiß und mit einer dünnen Eisschicht überzogen, während sich Nase und Lippen bereits langsam schwarz färbten.
    Cooper wusste, dass ihn seine Kollegen manchmal einer allzu überbordenden Fantasie bezichtigten. Auch er traute sich nicht zu, im Gesicht einer Leiche lesen zu können. Aber

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