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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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eines wusste er genau, und ein kurzer Blick über die Schulter bestätigte seine Theorie. Als sie starb, hatte Marie Tennent zum Irontongue Hill gewandt gelegen und nicht von ihm abgewandt. Die Trümmer der Heckflosse des abgestürzten Lancaster-Bombers SU-V waren von hier aus deutlich sichtbar. Das Letzte, was Marie in ihrem Leben gesehen hatte, musste ein rostiges Fragment von Sugar Uncle Victor gewesen sein.
    Cooper fiel wieder ein, was Diane über Namen gesagt hatte, die immer wieder aufzutauchen schienen, kaum dass man sie zum ersten Mal gehört hatte. Von den Trümmern der Lancaster am Irontongue Hill hatte er seit seiner Kindheit vage gewusst. Solche Geschichten sind spannend für Jungen, für die der Krieg etwas Aufregendes und Heldenhaftes ist, wahrscheinlich hauptsächlich deshalb, weil er so weit weg war, dass man höchstwahrscheinlich nie persönlich damit konfrontiert war. Er hatte den Höhepunkt des Kalten Krieges verpasst, als die Menschen im Bewusstsein der Gefahr gelebt hatten, jeden Tag von einem Atomkrieg ausradiert werden zu können, und er war zu jung, um sich an Vietnam zu erinnern. Für ihn war all das Geschichte, so weit weg wie der Erste Weltkrieg, es hatte nichts mit den Menschen zu tun, die er kannte. Trotzdem war das Wrack irgendwo in seinem Hinterkopf immer präsent gewesen.
    Cooper glaubte nicht, dass er den Namen des Flugzeugs vor dem Vortag schon einmal gehört hatte. Lancaster SU-V. Sugar Uncle Victor. So etwas hätte er sich bestimmt gemerkt. Der Name klang so harmlos für eine eigens zum Töten und Vernichten gebaute Maschine. Er war überzeugt, dass ihm die Ironie nicht entgangen wäre. Jetzt war seine Aufmerksamkeit zweimal in zwei Tagen auf den Bordingenieur von Sugar Uncle Victor gelenkt worden. Und hier vor ihm lag eine Frau, die kurz vor ihrem Tod möglicherweise entweder unterwegs zu dem Wrack gewesen oder gerade davon zurückgekommen war.
    Fälle wie dieser verführten zu zahlreichen Spekulationen. Die erste war, dass Marie Tennent auf die eine oder andere Weise selbst für ihren Tod verantwortlich war. Selbstmord oder Unfall – spielte das wirklich eine Rolle? Eigentlich doch nur für den Leichenbeschauer von High Peak, der gern ordentliche Protokolle mochte.
    »Ben?«, rief Liz. »Ich glaube, Sie werden hier gebraucht.«
    »Komme schon.«
    Ein Rettungshubschrauber der Luftwaffe hatte den Arzt heraufgeflogen und stand jetzt, nachdem der Arzt abgeseilt worden war, über ihnen in der Luft, wo er darauf wartete, die Leiche mit einer Winde an Bord zu ziehen.
    Cooper warf einen letzten Blick auf die zerfetzte Heckflosse. Er musste demnächst unbedingt einmal selbst dort hinaufsteigen und sich die Trümmer des Flugzeuges genauer ansehen, die Fliegerleutnant Danny McTeague im Stich gelassen hatte. Er hatte keine Ahnung, welche Verbindung es zwischen dem Wrack und den beiden Todesfällen geben mochte, aber er hatte den dringenden Verdacht, dass sie sich schon bald miteinander verflechten würden.
    Er hatte den Eindruck, als kreiste die Phantomsilhouette von Sugar Uncle Victor abermals mit dröhnenden Merlin-Motoren unter der Wolkendecke über dem Eden Valley, an Bord ihre dahingemetzelte Besatzung, die zu einem letzten Einsatz zurückgekehrt war. Es war, als wäre die alte Lancaster im Windschatten von Alison Morrisseys Air Canada Boeing 767 aus Toronto in das Tal zurückgekehrt.

12
    F rank Baine lehnte an der Wand des Postamts neben dem Einkaufszentrum von Buttercross. Er zündete sich eine Zigarette an und warf das Streichholz in den Schnee, wo es kurz aufzischte, dann zog er kräftig an der Zigarette und hielt sie schützend in der gewölbten Hand, während er zusah, wie zwei Halbwüchsige ihre Fahrräder an das Fenster der Post lehnten und hineinstürzten.
    Ein Sattelschlepper kam die Buxton Road herunter auf den Verkehrskreisel zu. Statt auf die Umgehungsstraße abzubiegen, hielt er direkt auf Buttercross zu. Baine stieß eine Lunge voll Rauch aus, und als der Fahrer stark abbremste und der Lkw ein paar Meter vor der Ampel zum Stehen kam, schaute Baine automatisch auf das Kennzeichen. Da der Laster die gesamte Fahrbahn blockierte, bildete sich rasch eine lange Autoschlange dahinter.
    Auf der Beifahrerseite kletterte ein Mann aus dem Führerhaus, den Baine jedoch erst richtig sehen konnte, als der Sattelschlepper blinkte und ein Stück näher an die Ampel heranfuhr. Er erkannte George Malkin, der die Straße überquerte. Malkin sah ihn erst an, als er nur noch ein paar

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