Kaltes Grab
Schimmer.«
»Was vermuten Sie denn, wo er ist? Bei einem Freund? Vielleicht bei Verwandten?«
»Keine Ahnung«, sagte sie.
»Und mit wem ist er weggegangen?«
»Wahrscheinlich mit einem von seinen Freunden«, erwiderte sie. »Er ist runter in den Pub, um sich dort mit ihnen zu treffen. ›The Vine‹, da gehen sie immer hin. Aber mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
»Er hat gegen seine Kautionsbedingungen verstoßen, Mrs Kemp. Wollen Sie uns nicht sagen, wie seine Freunde heißen?«
Mrs Kemp überlegte kurz. Vielleicht stellte sie sich Marie Tennent und das verschwundene Baby vor. »Ich denk drüber nach«, sagte sie.
Diane Fry sah den Beamten ein paar Minuten lang dabei zu, wie sie Haus und Garten der Kemps durchsuchten, dann wurde sie ungeduldig. Vicky Kemp zeigte keinerlei Interesse am Geschehen, außer dass sie den Beamten überallhin folgte, um Kissen aufzuschütteln und unsichtbare Fingerabdrücke von Schranktüren zu wischen. Fry winkte Ben nach draußen und rief in der Zentrale an, um Eddie Kemps Verstoß gegen die Kautionsbedingungen durchzugeben. Eddie war verpflichtet, sich an seiner Wohnadresse aufzuhalten, damit er bei Bedarf leicht zu finden war. Wenn er jetzt aufgegriffen wurde, kam er sofort wieder in Haft.
»Ben«, sagte sie. »Hast du schon mal vom Luftfahrtmuseum Leadenhall gehört?«
Cooper sah sie verblüfft an. »Wo soll das sein?«
»In Leadenhall.«
»Leadenhall?«
»Wirst du langsam taub, oder was? Hast du Schnee in den Ohren? In Nottinghamshire war früher offenbar ein Luftwaffenstützpunkt namens Leadenhall, aber heute steht dort ein Luftfahrtmuseum.«
»Ich habe erst kürzlich zum ersten Mal davon gehört«, sagte Cooper. »Nicht von dem Museum, sondern von dem Flugplatz.«
»Ach ja? In welchem Zusammenhang denn?«
»Leadenhall war der Heimatflughafen von Sugar Uncle Victor. Dem Bomber von Fliegerleutnant Danny McTeague und seiner Mannschaft.«
»Aha. Du redest schon wieder von Miss Morrissey«, sagte Fry.
»Ja.«
»Es ist nicht zu fassen. Wieso hakst du die Angelegenheit nicht endlich ab?«
»Ich kann nichts dafür. Du hast mich nach Leadenhall gefragt, und in genau diesem Zusammenhang habe ich den Namen gehört. Von Alison Morrissey und ihrem Journalistenfreund, Frank Baine. McTeagues Lancaster war unterwegs von Leadenhall zu einem Flugplatz in Lancashire, als sie am Irontongue Hill zerschellte.«
»Ben, ich arbeite an einem Fall, der mit dem Flugzeugmuseum zu tun hat. Ich rede vom Hier und Jetzt, nicht von einem Unglück, das vor einem halben Jahrhundert passiert ist. Du bist ja völlig besessen von der Vergangenheit.«
»Geht es in Museen nicht genau darum – ich meine, um die Vergangenheit? Außerdem solltest du das Baby nicht vergessen. Die Tatsache, dass es an der Absturzstelle gefunden wurde, lässt ebenfalls auf einen gewissen Zusammenhang schließen, meinst du nicht auch?«
Sie seufzte. »Na schön. Wo liegt dieses Leadenhall? Ich nehme an, mit deiner gewohnten Gründlichkeit bei Dingen, die dich wirklich interessieren, hast du dieses Kaff bereits präzise lokalisiert. Wahrscheinlich kannst du mir sogar die genauen Koordinaten auf der Landkarte und die Flugrichtung nennen, die dein Pilot aus dem Zweiten Weltkrieg hätte einschlagen müssen.«
»Es liegt bei Newark, in der Nähe vom Trent Valley in Nottinghamshire.«
»Würdest du hinfinden?«
»Selbstverständlich. Warum?«
»Weil wir heute Nachmittag hinfahren.«
»Was ist mit Eddie Kemp und dem Baby?«
»Gavin und der Suchtrupp kommen hier schon zurecht. Es liegt auf der Hand, dass sie Chloe nicht hier in der Obhut von Vicky Kemp finden. Ihren liebenden Gatten werden wir demnächst schon schnappen. Du weißt so gut wie ich, dass es witzlos ist, hier weiter herumzustehen.«
»Richtig. Aber Leadenhall …«
Fry würgte seine Einwände mit einer Handbewegung ab. Sie dachte nicht daran, die Gelegenheit, irgendwohin zu fahren und endlich etwas zu unternehmen, ungenutzt verstreichen zu lassen.
»Wir folgen der Spur des Schneemanns«, sagte sie.
18
D as Flugzeugmuseum Leadenhall hatte während der Wintermonate nicht täglich geöffnet, aber es war offensichtlich, dass auch sonst nicht viele Besucher kamen. Diane Fry und Ben Cooper fanden die Tore offen, und ein paar Freiwillige nutzten die Besucherflaute zur Wartung und Restaurierung der Flugzeuge.
In dem tiefen, düsteren Haupthangar stand eine mit Seilen abgesperrte Spitfire, deren Panzerung rings um die Schnauze abgebaut worden war. Ein Mann
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