Kaltes Grab
aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es etwas mit dem Absturz zu tun hatte.«
»Nicht direkt.«
Morrissey fixierte ihn mit ihren grauen Augen. »Sie könnten mir helfen.«
»Ach ja?«
»Na ja, wenn Sie mich angeblich nicht behindern wollen, gibt es keinen Grund, weshalb Sie mir nicht helfen sollten. Mit mir wollen die Leute nicht reden, mit Ihnen aber schon. Sie könnten sie dazu bringen, die Wahrheit zu sagen.«
»Miss Morrissey, mein Boss hat Ihnen bereits erklärt …«
»Ja, ja. Kein Personal. Seine Beamten haben keine Zeit. Bla bla bla. Aber Sie verbringen doch ohnehin schon Ihre Zeit damit, obwohl ich keine Ahnung habe, weshalb. Und wenn Sie sich doch ohnehin mit Lukasz und Rowland beschäftigen, nehme ich keine der wertvollen personellen Ressourcen Ihres Chefs in Anspruch, oder?«
»Tut mir Leid, ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Ihr Chef hat gesagt, er würde mir helfen, wenn er könnte.«
Cooper wäre am liebsten einfach in seinen Wagen gestiegen und weggefahren, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Er wusste, dass Morrissey noch nicht alles gesagt hatte, was sie sich vorgenommen hatte. Jetzt machte sie einen kleinen Schritt auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Arm.
»Geben Sie mir doch wenigstens eine Chance, Ihnen zu erklären, weshalb mir die Angelegenheit so wichtig ist«, bat sie.
Cooper zögerte. Er hätte zu gern »ja« gesagt. Er hätte zu gern ihre Erklärung gehört und erfahren, was in ihr vorging, hätte gern an ihrer Leidenschaft, die Wahrheit herauszufinden, teilgehabt. Stattdessen zog er seine Handschuhe an.
»Ich habe leider keine Zeit«, sagte er.
Diane Fry und Gavin Murfin fuhren nach Buttercross und parkten vor einem Antiquitätenladen. Ein halbes Dutzend uniformierter Polizisten sollte sich mit ihnen vor Eddie Kemps Haus treffen, das sie in der Hoffnung, eine Spur von Chloe zu finden, durchsuchen würden.
Fry hatte beschlossen, vor Decker und Miller, Antiquitäten und Sammlerstücke, zu parken. Von hier aus sah sie Ben Coopers roten Toyota ein Stück weiter oben an einer steilen Kopfsteinpflasterstraße stehen, die immer noch mit festgebackenem Schnee bedeckt war. Ihr Peugeot hätte es niemals dort hinaufgeschafft. Als sie ihn gekauft hatte, war sie nicht auf die Idee gekommen, dass sie einmal einen Wagen mit Allradantrieb gebrauchen könnte.
Noch weiter oben, am Ende der Straße, stand Ben Cooper in seinen dicksohligen Stiefeln und dem lächerlichen Wilderermantel. Er unterhielt sich mit einer Frau, die Fry nicht bekannt vorkam. Sie trug eine rote Jacke und schwarze Jeans und hatte sich das dunkle Haar hinter die Ohren gestrichen. Aus Coopers Haltung und seinen Gesten schloss Fry, dass die Frau nichts mit der Ermittlung zu tun hatte, mit der er eigentlich beauftragt war. Sogar von weitem sah sie, wie sich seine Ohren rosig färbten. Wahrscheinlich handelte es sich bei der Frau um eine alte Flamme, die er zufällig getroffen hatte – zumindest war das die nachsichtigste Interpretation. Falls er sich mit ihr während der Dienstzeit verabredet hatte, würde sie ihm gehörig die Leviten lesen. Er trödelte ohnedies schon genug herum.
Fry schlug die Autotür zu und marschierte los, doch ihre Schuhe waren für vereistes Kopfsteinpflaster denkbar ungeeignet. Kaum hatte sie den Fuß auf die steile Straße gesetzt, rutschte sie aus und musste sich an dem eisernen Handlauf an der Hauswand festhalten, um sich wieder hochzuziehen. Sie war so damit beschäftigt, auf den Beinen zu bleiben, dass sie die Frau neben Cooper nicht weggehen sah. Als sie den Kopf wieder hob, stand Cooper allein vor seinem Wagen und blickte ihr entgegen.
»Mit wem hast du dich da eben unterhalten?«
»Mit niemand Besonderem.«
»Du hast kein Recht, dich mit niemand Besonderem zu unterhalten, Ben. Verdammt noch mal, du sollst doch potenzielle Zeugen befragen.«
»Schon erledigt.«
»Und? Was haben sie gesagt?«
»›Wir wissen nichts, und wenn wir etwas wüssten, würden wir es Ihnen nicht sagen.‹ Wenn du den genauen Wortlaut brauchst, warte auf meinen Bericht.«
Fry ließ das Geländer los, um eine eindeutige Handbewegung zu machen, die sie jedoch nicht zu Ende fuhren konnte, da sie das Gleichgewicht verlor und schon wieder nach hinten wegrutschte. Sie griff nach dem nächstbesten Halt – zufällig der Seitenspiegel von Coopers Toyota. Er klappte nach innen, verhinderte aber immerhin, dass sie kopfüber die steile Straße hinunterstürzte. Cooper machte einen Schritt auf sie zu, als wollte er
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