Kaltes Herz
zur Maschine waren es vier Meter zweiundvierzig. Die Maschine maß exakt vier mal drei mal zwei Meter vierzig. Sie war mit großen Stahlbolzen mit der Decke verbunden, ebenso wie sie im steinernen Fußboden verankert war, damit sie in ihrem unermüdlichen Hin und Her nicht zu wandern begann, so wie die Schleudermaschinen es taten, wenn die Wäsche nicht gleichmäßig genug darin verteilt war. Er hatte noch keine andere Lösung für dieses Problem gefunden, als die Maschinen schwerer zu machen oder zu fixieren.
Heinrich vermied den Blick an die Kellerdecke. Er wusste auch so: Seit gestern waren die Risse weitergewandert. Von einem Ende zum anderen maß der Saal vierzehn Meter. Der längste Riss mochte sich jetzt über neun Meter erstrecken. Die Gesamtlänge seiner vielfältigen Verästelungen vermochte Heinrich nicht zu schätzen. Das Gemäuer hatte vierzig Erschütterungen pro Minute zu ertragen, es wurde hin und her gerissen, wieder und wieder. Und mit jeder Strecke, die die Walze zurücklegte, hatte Heinrich mindestens einmal den Gedanken, dass er eine Lösung brauchte. Eine Lösung, Rollen, Anschlag, Wende, eine Lösung, Rollen, Anschlag, Wende, eine Lösung … ohne die Maschine stilllegen zu müssen. Er wagte es nicht, sie zu unterbrechen und vielleicht ihre Magie zu zerstören. Er musste sich eine andere Lösung überlegen. Später. Wenn die Schmerzen etwas nachgelassen hatten, wenn er ein wenig geschlafen hatte. Der Weg zum Klingelzug kam ihm heute endlos lang vor.
Er hatte kaum ein paar Schritte getan, als die Klinke sich senkte und die Tür aufschwang. Heinrich atmete auf. Manchmal war es, als könne Johanne spüren, wann er sie brauchte.
Doch es war nicht Johanne, es war der Professor, der Heinrichs unterirdisches Reich betrat. Regenmacher schüttelte ihm herzlich die Hand, seine dunklen Augen lachten, wie immer, doch ansonsten war sein Gesicht ernst.
«Heinrich. Johanne hat telegrafiert, dass du mich brauchst.»
Regenmacher hatte keine Schwierigkeiten, mit seiner Stimme den Lärm der Maschine zu übertönen.
Heinrich nickte und bedeutete Regenmacher, ihm in den hinteren Teil des Saales zu folgen, durch seinen Parcours von halbfertigen Maschinen, Werkbänken und Geräten in den Salon, der nichts weiter war als eine mit Teppichen und Möbeln ausgestattete Ecke des Saales: zwei Sessel, ein Tisch, an dem man speisen konnte, ein weiterer, der groß genug war für Pläne und Manuskripte, einige Lampen und Bücherregale, mehr brauchte er nicht. Meist schlief er auch gleich hier unten auf einer durchgelegenen Couch, statt in den oberen Teil des Westflügels zu gehen, wo er ein Schlafzimmer hatte.
Heinrich setzte sich an den Arbeitstisch, Regenmacher nahm einen der Sessel, schlug die Beine übereinander und nahm die Zigarre, die Heinrich ihm anbot.
Heinrich griff nach Papier und Füllfederhalter und schrieb.
Fällt dir nichts auf, Regenmacher?
Der Professor sah Heinrich aufmerksam an.
«Sollte mir denn etwas auffallen?»
Heinrich wartete ab, während Regenmacher sich umsah. Er konnte geradezu sehen, wie in dessen Kopf der Schalter umgelegt wurde. Regenmacher stand auf und deutete auf die Maschine.
«Ist es das?!»
Heinrich wartete weiter ab.
«Aber … ich habe sie doch schon so oft laufen sehen.» Regenmacher setzte sich wieder, wartete, schaute.
«Seit wann läuft sie?», fragte er schließlich.
Heinrich schrieb.
Vierzehn Tage, sieben Stunden, vierundzwanzig Minuten.
«Ohne Energiezufuhr?»
Heinrich zögerte. Es war Zeit, Triumph und Scheitern einzugestehen.
Ja und nein
, schrieb er.
«Wie das?», wollte Regenmacher wissen.
Ich führe keine Energie zu und auch sonst kein Mensch. Dennoch ist es kein Perpetuum mobile. Es ist ein Betrug, und es ist doch keiner.
Der Professor zog ungeduldig an seiner Zigarre.
«Heinrich, erkläre dich bitte. Werden wir nun die reichsten Männer der Welt, oder werden wir es nicht?»
Heinrich stieß sein Äquivalent eines Lachens aus, schon zum zweiten Mal in wenigen Minuten.
Du denkst nur an das Geld und den Ruhm?
«Lieber Heinrich, du vergisst, dass ich nicht deinen Verstand besitze. Ich bin kein Idealist, ich bin Realist, und dem Vertrauen auf deinen Verstand habe ich mein Leben gewidmet. Wenn dieses Ungetüm uns zumindest das Geld einbringt, welches wir über die Jahre investiert haben, will ich schon zufrieden sein.»
Wir werden mehr als reich sein. Uns wird die Welt gehören.
Regenmacher setzte sich zurecht, ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er
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