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Kaltes Herz

Kaltes Herz

Titel: Kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Freise
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dem kalten Eisbein hatte Mutter sie nie wieder gezwungen, Fleisch zu essen. Doch Henriette ahnte, dass es bei Tante Johanne nicht so einfach sein würde, an solchen Sonderbehandlungen festzuhalten.
    «Eine halbe Stunde soll das so bleiben.»
    Henriette spürte, wie das Fett ihr den Hals hinablief, in den Kragen ihres Nachthemdes, und ein Anflug von Panik stellte sich ein. Wenn das Fett auf ihr Kopfkissen lief, würde das Bett dauerhaft stinken.
    «Ich brauche ein Taschentuch», murmelte sie.
    Ida half ihr, das überschüssige Fett abzuwischen, dann nahm sie den Schmalztopf und versprach, in einer halben Stunde wieder da zu sein. Henriette schloss die Augen und atmete möglichst flach, während sie wartete.
     
    Als sie die Augen wieder öffnete, war es dunkel, und sie wusste nicht, wo sie war. Schmalzgeruch stieg ihr in die Nase, aber da war auch eine Kühle, eine Frische, die ganz leicht ihr Gesicht streifte. Dann ein Murmeln, Schnaufen, ein Kichern. Henriettes Herz begann zu rasen, sie setzte sich ruckartig auf.
    «Wer ist da?», wollte sie fragen, aber ihr Mund war verschlossen, es war, als seien ihre Lippen zusammengenäht.
    Ein Schrei sammelte sich in ihr und drang, gedämpft durch das geschwollene Gesicht, in die Dunkelheit, die sie umgab.
    «Hetti? Alles in Ordnung?»
    Langsam kam die Erinnerung zurück. Das war Idas Stimme, schlaftrunken. Henriette starrte angestrengt in die Richtung, aus der sie gekommen war, langsam begannen sich Formen aus dem Dunkel zu lösen, ein Bettpfosten, ein bleicher Fleck an der Wand, wo der Spiegel hing, ein anderer gleich neben ihr. Dort war das Fenster. Henriette griff nach der Gardine, zog sie ein wenig zur Seite, Mondlichtfinger griffen nach ihrer Bettdecke.
    «Hast du schlecht geträumt, brauchst du Hilfe?», fragte Ida.
    Henriette schüttelte den Kopf, und Ida, die auf einen Ellenbogen gestützt in ihrem Bett lag, die hellen Augen im Mondlicht leuchtend, drehte sich wieder zur Wand und zog sich die Decke über die Ohren.
    «Na dann, gute Nacht.»
    Henriette musste den ganzen Tag verschlafen haben, wenn es jetzt schon wieder Nacht war. Sie beobachtete den Staub, der im Mondlicht tanzte.
    Aus irgendeinem Grund machte ihr das Licht Angst, wahrscheinlich nur eine Wirkung des Fiebers. Es fühlte sich an, als ob sie eine innere Wunde zu schützen hätte, eine Wunde, durch die ständig kleine Dosen einer verborgenen, unheimlichen Welt in sie einsickerten. Henriette legte sich hin, ganz still, beobachtete den Schimmer, der auf ihre Brust kroch, sie einhüllte, sie zu umtanzen schien, langsam und traumhaft, wie bei einer Beschwörung, und alles, was außerhalb des Mondlichts lag, gerann zu Teer, der an den Wänden hinablief und die Luft zu dick zum Atmen machte.
    Sie wollte sich wieder aufsetzen, aber die Lichtfinger stachen nun auch unter dem Vorhang herein, spießten sie auf, nagelten sie an ihre Matratze. Sie konnte sich nicht mehr bewegen, sosehr sie sich auch bemühte. Jeden Muskel stemmte sie gegen das Gewicht des Mondlichts, und dann, endlich ein Schrei, der sie erneut aufweckte.
    «Alles in Ordnung, Hetti?»
    Henriette atmete schwer, blickte sich um. Sie lag auf dem Rücken, der Schmalzwickel war fort, Ida lag in ihrem Bett, auf einen Ellenbogen gestützt, und schaute sie an. Das Mondlicht fiel durch die Lücke zwischen den Vorhängen.
    Es war schwerelos, genau wie es sein musste, und der Rest des Zimmers war keine teerige Schwärze, sondern bläulich durchleuchtete Nacht. Versuchsweise öffnete Henriette den Mund ein bisschen. Es ging. Und dann verblasste das Mondlicht, verschwand hinter einer Wolke, und sie seufzte tief, nickte, und Ida, die sie mit müden Augen ansah, drehte sich zur Wand und zog sich die Decke über die Ohren.
    «Gute Nacht, Hetti.»
    Henriette schlüpfte hinter die Vorhänge, öffnete das Fenster, lehnte sich hinaus in die kühle Nacht, so weit sie es wagte, und atmete durch. Sie war sich beinahe sicher, dass sie dieses Mal wirklich aufgewacht war.
    Der Himmel war finster, unten wurde er von der Silhouette der Bäume auf der anderen Straßenseite begrenzt, oben von schnell dahinjagenden Wolken. Manchmal schimmerte Mondlicht durch einen dünnen Schleier, und dann rissen die Wolken zu einer Lichtung auf, die sich schnell erweiterte, der Mond erhellte ihren oberen Rand … und auch das erinnerte sie an etwas. Aber woran?
    Das teerige Schwarz im Zimmer hatte keine Tiefe gehabt. Doch die Schwärze dort oben war tief, da war ein Licht in oder hinter der

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