Kammerflimmern
erfolgreicher junger Investor. Am linken Handgelenk hing eine teure Tag Heuer Monaco mit Krokodillederarmband.
Der einzige Fehler an diesem Bild eines perfekten Fast-Vierzigers war eine dicke Goldkette am rechten Handgelenk. Sie kannte diese Mode noch aus ihrer Jugend. Sie hatten sie damals Namensarmband genannt, glaubte sie sich zu erinnern. Eine Platte mit eingraviertem Namen hing an einer dicken Kette.
»Ich kann nur eines sagen, Morten. Seriously. «
»Ein Stichwort«, bat er. »Ich bin in einer verdammt üblen Lage. Im Netz schwirren die Gerüchte, die GRUS-Leitung will nicht mit mir sprechen, die Aktien befinden sich im Sturzflug, und alle scheinen zu wissen, dass mit dem Deimos irgendetwas nicht stimmt, ohne dass ich diese Behauptungen korrigieren oder genauer untersuchen könnte. Ein Stichwort, Sara. Bitte.«
»Woher kommst du eigentlich?«, fragte sie, denn sie konnte seinen Akzent nicht unterbringen. »New York City«, sagte er mit schwachem Lächeln. »Aber wenn du meine Aussprache meinst, die ist eher geprägt von teuren Internaten und Sommerlagern. Ich war nie viel zu Hause.«
Die Heizung summte leise, und eine angenehme Wärme verbreitete sich vom Sitz her über ihren Rücken.
»Ich kann dir nur sagen, dass Mercury Medical in deep shit steckt«, sagte sie leise. »And the shit will hit the fan very, very soon, I’m afraid.«
Sie öffnete die Tür. »Ich verstehe ja, dass das für dich eine wahnsinnig schwere Situation ist, nur kann ich einfach nichts tun. Vor einigen Minuten bin ich noch dazu beurlaubt worden. Ich bin ... arbeitslos, könnte man sagen.«
»Beurlaubt? Jetzt mach doch die Tür zu.«
Er legte den Arm mit der Namensplakette auf das Armaturenbrett.
»Orty«, las sie. »Wer ist Orty?«
Morten lächelte. »Meine Eltern hatten sich einen norwegischen Namen ausgesucht. Ich heiße nach meinem Großvater, aber sie haben mich von Anfang an Morty genannt. Als ich sprechen lernte, habe ich daraus Orty gemacht. Und das ist hängen geblieben. Dieses Armband hat meinem Vater gehört, ich war sein einziger Sohn, und er hat es immer getragen. Wie Fußballspieler heutzutage, die sich die Namen ihrer Kinder auf den Arm tätowieren lassen.«
Mit ernster Miene fügte er hinzu: »Er ist tot. Jetzt bleib bitte sitzen.«
13.00 Uhr
Polizeibezirk Asker und Bærum, Sandvika, Bærum
Polizeidirektor Kjell Vatten setzte sich hinter den länglichen Tisch an der Rückwand des Raums. Gleich hinter ihm erschien Krankenhausdirektor Svein-Arne Gran, gefolgt von einem übergewichtigen kahlköpfigen Mann mit einer so dicken Brille, dass das Glas fast die kräftige Fassung sprengte. Er fingerte an einem Mikrofon herum, mit dem er nicht umgehen konnte.
»Hallo?«, fragte er. »Eins zwei. Eins zwei.«
»Sie müssen es einschalten«, rief eine Stimme auf der anderen Seite des Raums.
Eine junge Frau von VG-TV erhob sich, um ihm zu helfen. »So«, sagte sie und zog das Mikrofon weiter weg von seinem Mund. »Jetzt müsste alles in Ordnung sein.«
»Willkommen«, sagte der rundliche Mann vorsichtig. »Willkommen zu dieser Pressekonferenz unter der Leitung des Polizeibezirks Asker und Bærum. Ich heiße Ove Karlsen und bin der Pressesprecher. Anwesend sind Polizeidirektor Kjell Vatten und Direktor Svein-Arne Gran vom Universitätskrankenhaus Grini. Zunächst wird der Polizeidirektor den Fall kurz umreißen ...«
»Wovon ist hier eigentlich die Rede?«, rief ein Zuhörer. »Die Einladung war ja, gelinde gesagt, vage formuliert!«
Viele grinsten. Die Pressemeldung, die erst eine Dreiviertelstunde zuvor an alle Redaktionen in Oslo geschickt worden war, hatte nur mitgeteilt, wer wann und wo anwesend sein würde. Der Zuhörermenge konnte man entnehmen, dass das genug gewesen war. Dass das GRUS sich nach mehreren unerklärlichen Todesfällen an die Polizei gewandt hatte, bestimmte bereits die Schlagzeilen der Onlinezeitungen.
»Jetzt immer schön der Reihe nach«, sagte Ove Karlsen. »Nach einer kurzen Einführung der beiden Herren sind Fragen gestattet. Bitte sehr, Herr Polizeidirektor.«
Kjell Vatten griff zum Mikrofon, dann wandte er sich ab und räusperte sich. »Die Polizei ist heute gebeten worden, im GRUS zu ermitteln. Es geht um Herzpatienten, die verstorben sind, nachdem ihnen etwas namens ...« Er nahm einen Zettel vom Tisch vor sich. »... implantable cardioverter-defibrillator«, las er in stockendem Englisch, »eingesetzt worden ist. Ein Herzstarter, der einem Patienten nach einer ... genaueren
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