Kammerflimmern
Richtung?«, beharrte die Journalistin.
»In welche Richtung?«
»In die Richtung, dass der ICD das Problem ist«, wiederholte sie geduldig. »Und dass er ganz bewusst manipuliert worden sein kann.«
Ove Karlsen sah Svein-Arne Gran fragend an. Der Polizeidirektor spielte an einem Kugelschreiber herum, ohne aufzublicken.
»Zum derzeitigen Zeitpunkt lässt sich überhaupt nichts ausschließen«, sagte der Krankenhausdirektor endlich. »Unter anderem deshalb ist die Polizei eingeschaltet worden.«
»Haben Sie überlegt, die Implantationen des Deimos und eventuell auch anderer ICDs auszusetzen, bis der Fall geklärt ist?«, fragte die Vertreterin von Dagens Næringsliv.
»Eine solche Entscheidung wird, wenn überhaupt, nicht von uns getroffen«, sagte Gran. »Ich kann nur auf die Auskünfte verweisen, die möglicherweise später von Gesundheitsaufsicht und Ministerium gegeben werden. Der Minister und alle betroffenen Institutionen werden fortwährend und ausführlich informiert.«
»Das ist mehr, als wir von uns behaupten können«, sagte eine Frau in der ersten Reihe.
»Haben Sie denn jemanden im Verdacht?«, fragte ein schlaksiger Mann mit rasiertem Schädel. Er stand ganz hinten im Raum und musste laut rufen.
»Verdacht?«
»Ja«, rief der Mann zurück. »Eine Anzeige bei der Polizei muss doch bedeuten, dass Sie eine strafbare Handlung vermuten, egal, wie wenig Sie uns erzählen wollen. Und dann hat man doch oft einen oder mehrere Verdächtige. Haben Sie welche?«
»Jetzt glaube ich, wir setzen für diese Runde den Schlusspunkt«, schaltete der Polizeidirektor sich ein und erhob sich mit einem an Ove Karlsen gerichteten Nicken. »Natürlich werden wir die Öffentlichkeit mit weiteren Informationen versorgen, sowie wir das verantworten können.«
»Ist in Verbindung mit dieser Angelegenheit im GRUS jemand beurlaubt worden?«, fragte die Frau von Dagens Næringsliv, als der Krankenhausdirektor sich ebenfalls erhob.
Er sah sie nicht einmal an. Packte seine Aktentasche, lief hinter dem Polizeidirektor her und zog die Tür hinter sich zu, während der Lärmpegel in dem überfüllten Besprechungsraum anstieg.
»Wir danken für Ihr Kommen«, rief Ove Karlsen kleinlaut in die Menge.
Leider konnte ihn jetzt niemand mehr hören.
13.10 Uhr
Båtstøjordet, Høvik, Bærum
Sara fror noch immer, obwohl sie ein heißes Bad genommen hatte.
Sie war den ganzen Weg vom GRUS zu Fuß gegangen. Morten Mundal hatte sie bringen wollen, aber die Vorstellung, die lange Strecke bis Høvik über Wind und Wetter oder gar nichts sprechen zu müssen, hatte nicht gerade verlockend gewirkt. Da sie ohnehin triefnass war, mochte sie auch kein Taxi holen. Ins Büro zu gehen und sich trockene Kleider anzuziehen – sie hatte immer welche dort hängen, für den Fall einer verdoppelten Schicht –, das kam nun wirklich nicht infrage. Sie wollte keinen Fuß mehr ins GRUS setzen, ehe ihre Beurlaubung zurückgenommen wäre und sie eine bedingungslose Entschuldigung akzeptiert hätte.
Sie brauchte eine gute Stunde für den Weg, und es wäre ein Wunder, wenn sie jetzt nicht krank würde.
Jetzt saß sie in Theas rosa One-Piece-Overallda und sah sich die Pressekonferenz auf Aftenposten.no an. In dem Kleidungsstück kam sie sich vor wie ein überdimensionales Kaninchen, musste gegenüber der Vierzehnjährigen aber zugeben, dass es wirklich behaglich war.
»Idiot«, fauchte sie, sowie Svein-Arne Grans Gesicht auf dem Bildschirm auftauchte.
Nach dieser Parodie einer Pressekonferenz war Sara womöglich noch wütender als einige Stunden zuvor, als sie zornglühend sein Büro verlassen hatte.
»Idiot«, stöhnte sie. »Was zum Teufel machst du da eigentlich?«
Eine tüchtige Journalistin würde nur zwei Stunden brauchen, um sie ausfindig zu machen. Nicht als die Heldin, die den Fall geklärt hatte, sondern als Verdächtige. Der törichte Krankenhausdirektor hatte eine Gleichung aufgestellt, die die Frau von Dagens Næringsliv schon auf dem Weg in ihre Redaktion gelöst hätte.
Vermutlich schwirrten die Gerüchte über Saras Abgang jetzt schon munter durch die Gänge des GRUS, Sara hatte das Haus ja nicht auf Zehenspitzen verlassen.
Länger als zwei Stunden werden sie nicht brauchen.
Sie sprang auf und holte ihre durchnässte Handtasche aus dem Badezimmer, wo sie sie zum Trocknen aufgehängt hatte, ohne sie vorher auszuräumen. Alles war nass, Brieftasche, die Taschenbuchausgabe »The Human Stain« von Philip Roth, die kleine Packung
Weitere Kostenlose Bücher