Kammerspiel: Der fünfte Fall für Rünz (German Edition)
Rechtfertigung? Warum reden Sie nicht mit
mir? So nachdenklich, wie Sie da am Fenster stehen, habe ich Sie noch nie erlebt.
Fast depressiv. Als wollten Sie gleich hinausspringen.
Detektiv: Die
Lektorin, der ich mein Manuskript vorgestellt habe …
Klient: Was
ist mit ihr?
Detektiv: Der
Verleger, für den Sie arbeitet, verlegt der auch Ihre Bücher?
Klient: Und
wenn schon, was spielt das für eine Rolle?
Detektiv: Und
diese Dame lektoriert auch Ihre Manuskripte?
Klient: Ich
weiß jetzt wirklich nicht, warum das so wichtig ist.
Detektiv: Sie
haben mit ihr gesprochen, nachdem Sie sie mir empfohlen haben?
Klient: Schon
möglich, vielleicht. Wir telefonieren alle paar Tage miteinander.
Detektiv: Und
Sie haben ihr meinen Anruf angekündigt.
Klient: Mag
sein, dass Ihr Name mal fiel. Na und? Ein erfolgreicher Autor empfiehlt seinem Verlag
ein Nachwuchstalent. Ein alltäglicher Vorgang, jeder angehende Schriftsteller wäre
dankbar für so eine Starthilfe. Warum haben Sie damit ein Problem?
Detektiv: Ich
habe mir diesen Vertragsentwurf mal genauer angesehen. Die wollen mein Manuskript
mit einer lächerlichen Auflage von 500 Stück in der Edition ›Super-Sparpreis-Spannung‹
verramschen. Da stehe ich dann im Hochregallager zwischen Titeln wie ›Geisterjäger
Brent Baxter‹ und ›Dompropst Langenhövels achter Fall‹. Ganz zu schweigen von der
Tatsache, dass diese Machwerke nicht mal im Buchhandel stehen, sondern als Dankeschön-Prämien
an neue Abonnenten von Yellow-Press-Heftchen versendet werden.
Klient: Sie sind undankbar.
Viele große Autorenkarrieren haben so angefangen. Meinen Sie denn, ich wäre gleich auf Platz eins der Beststellerliste eingestiegen?
Detektiv: Sie
wollten mich erniedrigen. Das war Ihr Ziel. Sie haben mit Ihrer Lektorin vereinbart,
mir erst Hoffnungen auf einen seriösen Autorenvertrag zu machen und mir dann so
richtig eins reinzuwürgen.
Klient: Man
kann es Ihnen einfach nicht recht machen, Karl. Ich bereue, in dieser Sache aktiv
geworden zu sein. Ich hätte mich besser komplett rausgehalten.
Detektiv: Wie
auch immer, einen Vorteil hatte diese Aktion. Ich komme jetzt Ihrer realen Identität
auf die Spur. Das komplette Belletristikprogramm dieses Verlages habe ich mir vorgenommen
und nach dem Ausschlussverfahren – Alter, Geschlecht, Präsenz des Autors in der
Öffentlichkeit – einen nach dem anderen aussortiert. Bis nur einer übrig blieb.
Sie. Sie sind Ignatius J. Reilly. Besser gesagt: Sie schreiben unter diesem Pseudonym.
Klient: Mal
abgesehen von Ihrem rätselhaften Ausschlussverfahren – das ist definitiv zu viel
der Ehre, Karl. Warum bin ich nicht gleich Patrick Süsskind, von dem zirkulieren
auch keine Fotos in der Öffentlichkeit.
Detektiv: Leugnen
Sie nur. Ich gehe Ihnen nicht mehr auf den Leim. Ihre größten Erfolge hatten Sie
mit der Krimireihe um den Psychoanalytiker Alfonse Antolini. Ich habe mir diese
Antolini-Romane in den letzten Tagen genau angesehen.
Klient: Jetzt
kommt sicher die Rache für meinen ›Amok‹-Verriss. Seien Sie bitte nicht ganz so
streng mit Reilly, Karl.
Detektiv: Diese
Antolini-Geschichten haben alle die gleiche Grundkonstellation. Sie sind Kammerspiele.
Zweipersonenstücke. Und sie spielen ausschließlich im Behandlungsraum des Analytikers.
Der ganze Plot entwickelt sich aus dem Dialog des Arztes mit seinem Patienten.
Klient: Dann
hätte Reilly an unseren kleinen Sitzungen hier in Ihrer Detektei sicher großen Spaß,
finden Sie nicht? Fast eine Steilvorlage für einen neuen Antolini-Fall.
Detektiv: In Ihren Fanblogs
wird spekuliert, Sie würden zu Recherchezwecken gerne undercover operieren, fremde Identitäten annehmen.
Klient: Was
Spekulationen ja vor allem auszeichnet, ist ihr spekulativer Charakter! Jetzt haben
Sie Ihre Theorie übrigens selbst ad absurdum geführt, denn ich habe mich Ihnen gegenüber
ja bereits als Autor offenbart. Reilly hätte das sicher nicht gemacht.
Detektiv: Allerdings
erst, nachdem ich Ihre Tarnidentität systematisch durchlöchert habe! Aber bleiben
wir bei Ihrem Protagonisten. In Antolinis letztem Fall – er erschien vor einem Jahr
– dichteten Sie ihrem Helden zum Finale eine unheilbare Herzinsuffizienz an. Und
ohne sein zu erwartendes Ableben explizit zu beschreiben, reichte die bloße Andeutung,
um in der Reilly-Fangemeinde einen Sturm der Entrüstung auszulösen. Ihr Verleger
muss Sie mit Goldbarren beworfen
Weitere Kostenlose Bücher