Kampf Dem Chaos
viel stärker waren, warum wurden Raketen dann damals eingesetzt und nicht jetzt? Es sollte doch eigentlich andersherum sein.«
»Zu der Zeit konnten nur die Schwarzen Magier – die Ingenieure – Schwarzes Eisen schmieden und daraus Raketen herstellen, und nur sie konnten sie auch handhaben. Niemand sonst besaß dieses Wissen. Als Ordnung und Chaos durch den Fall von Fairhaven geschwächt wurden, war auch das Schwarze Eisen nicht mehr so leicht zu schmieden und die Gesamtheit der Ordnung wurde derart dezimiert, dass sie nicht mehr in großem Stil eingesetzt werden konnte.« Justen nahm seinen Becher und trank einen Schluck Apfelwein. »Nun erscheint es sonderbar.«
»Sonderbar?«
»Tamra, warum gehst du nicht hinaus und machst die Pferde fertig? Ich muss mit Lerris sprechen.«
Sie hob die linke Augenbraue, ein Kunststück, dass ich bisher noch nicht fertig gebracht hatte. »Rosenfuß auch?«
Ich schluckte. Justen würde bestimmt nicht mehr sagen. Warum, war eine andere Frage; doch ich nahm an, er wusste viel mehr, als er sagte, und das störte mich.
»Wenn ich noch hier bin, wenn du mit deinem Pferd fertig bist, dann ja.« Justen nickte seinem Lehrling zu.
Tamra stampfte hinaus. Offensichtlich war sie gehörig verärgert. Ich versuchte, mir das Grinsen zu verbeißen. Wieder wollte Justen das Wissen nur auf jene beschränken, von denen er glaubte, sie könnten es einsetzen und gebrauchen. War dies eine Angewohnheit aller alten Magier? Ich wollte zwar nicht, dass Tamra alles über mich wusste, doch fand ich auch, dass Justen ungerecht handelte.
»Hör zu, Lerris«, fing Justen an.
Ich versuchte, mir bei seinem Tonfall nichts anmerken zu lassen, aus dem das väterliche »Lass dir etwas von deinem alten Onkel sagen« förmlich herausschrie. Wenn Tamra hier wäre – was ich mir in diesem Fall beinahe wünschte –, würde sie selbstgefällig grinsen.
»Ja.«
Er sah mich eindringlich an und atmete tief durch. »Das wird so nicht gehen. Es ging bei meinem Vater nicht und bei mir auch nicht.«
Ich wartete.
»Es war einmal ein junger Soldat. Seine Geschichte wird heute nicht mehr oft erzählt. Er war weder der Erbe des Familientitels noch der der Güter der Familie und er verließ seine Familie, um einer vereinbarten Heirat zu entgehen, durch die ihm ein sorgenfreies Leben beschieden worden wäre. Er erlebte zahlreiche Abenteuer, die sein Leben und seine Zeit prägten, für uns sind sie jedoch jetzt nicht wichtig. Dann musste er eine Entscheidung fällen. Sollte er eine große Aufgabe übernehmen – eine Aufgabe, von der er glaubte, sie könne die Welt retten? Er fragte seine Umgebung nach Rat, alle rieten ihm, vorsichtig zu sein. Doch am Ende schlug er ihre guten Ratschläge aus und meisterte seine Aufgabe erfolgreich. Er rettete die Welt, aber tausende und abertausende verloren ihr Leben in den Kämpfen, Stürmen und Bränden. Man hielt ihn für einen großen Mann.«
»Das kommt mir bekannt vor.«
»Es gibt noch zwei Geschichten. Lass mich weitererzählen, ja?«
Ich hörte zu.
»Ein anderer junger Mann beschloss, sich seinen Herzenswunsch zu erfüllen. Er war Schmied und jene, die erfuhren, was er bauen wollte, vertrieben ihn. Er wurde verbannt in ein fernes Land und dort schuf er schließlich das, was er schon so lange hatte schaffen wollen. Ein Herrscher eroberte ein ganzes Land, nur um das zu bekommen, was der junge Schmied gebaut hatte. Aber der Schmied nahm diesen Gegenstand und besiegte damit seine Feinde und triumphierte über jene, die ihn verbannt hatten. Und wieder starben tausende und abertausende durch das, was er geschaffen hatte, und das Leben in der Welt wurde abermals verändert.«
Justen lächelte, als wollte er mich zum Sprechen auffordern. Doch ich nickte nur und wartete auf die dritte Geschichte.
»Der dritte junge Mann wusste nicht, was er wollte.«
Ich musste die Stirn gerunzelt haben, denn Justen lachte. »Nicht alle jungen Männer wissen, was sie wollen, oder, wie in deinem Fall, was sie nicht wollen. Dieser junge Mann wurde gezwungen, im Krieg zu kämpfen, aber er war wie der vorige ein Schmied und baute furchtbare Maschinen. Er und sein Bruder töteten in einer Schlacht fast zwei Drittel des feindlichen Heers – doch die Feinde setzten sich am Ende durch und er musste in die heißeste und trockenste Wüste der Welt fliehen. Als er gerettet wurde, erfuhr er etwas, was für ihn als die Wahrheit der Welt galt, und er beschloss, diese Wahrheit auch seinen Feinden zu
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