Kampf Dem Chaos
überbringen. Es gelang ihm – und er war so erfolgreich, dass sein Name von denen, die wissen, was er tat, niemals ausgesprochen wird. Er war so erfolgreich, dass er das damals mächtigste Reich völlig vernichtete und damit auch die mächtige Stadt, in der seine eigenen Leute lebten.«
Ich wartete.
»Das ist alles, Lerris. Nur drei Geschichten.«
»Die erste ist die Geschichte der Gründer.«
»Creslin, um genau zu sein.«
»Und die zweite handelt von Dorrin, würde ich sagen. Ich wusste nicht, dass er eine derartige Zerstörung verursachte.«
»Er tat es, aber es war keine sofortige oder unmittelbare Zerstörung. Er veränderte die Welt nur durch seine Dampf-Chaos-Maschinen. Die Menschen leiden in den Zeiten der Veränderung immer am meisten.«
»Willst du damit sagen, dass Menschen, die versuchen, große Taten zu vollbringen, meist auch großes Unglück verursachen?«
»Ich habe festgestellt, dass beides oft einhergeht.«
»Der Dritte musst du selbst sein.«
»Namen sind nicht wichtig.« Justen zuckte die Achseln. »Wichtig ist, dass die ganze Welt leiden muss, wenn große Taten vollbracht werden – ganz gleich ob gewollt oder ungewollt. Ich habe eine gewisse Abneigung gegen große Taten.« Er lächelte grimmig.
»Auch ich mag sie nicht sonderlich.«
»Nein – aber du gehörst zu der gefährlichsten Sorte Mensch. Aus Liebe würdest du alles tun und du liebst Krystal. Die Engel mögen uns retten.« Er stand auf. »Vergiss das nicht.«
»Du kannst hier übernachten«, bot ich an.
»Nein. Wir müssen packen.« Justen grinste. »Besonders Tamra.«
Ich ging mit ihm hinaus in den Stall. Tamra warf mir einen fast wütenden Blick zu. Der Blick, der Justen traf, entbehrte das ›fast‹.
Er achtete nicht darauf und sah Tamra unverhohlen an. »Es wird Zeit für uns aufzubrechen.«
Ich sah ihnen lange nach, als sie in den Abend hinausritten.
Ich lag im kalten Bett und wünschte, Krystal wäre hier, da kam mir Justens – und Tamras – Bemerkung über meine Eltern in den Sinn. Ein Brief tat mir nicht weh. Ich konnte ewigen Zorn gegen sie hegen und doch würden sie immer meine Eltern bleiben. Sie hatten das getan, was sie für das Beste hielten.
Recluce – und die Bruderschaft –, das war ein anderes Kapitel.
XLIV
Nylan, Recluce
D er Mann in der gelbbraunen Uniform verbeugt sich und bleibt vor dem nierenförmigen schwarzen Holztisch stehen. An seinem breiten braunen Ledergürtel trägt er nur einen kurzen Dolch auf der linken Seite, einen kleinen Beutel und eine helle Lederschlaufe auf der rechten Seite, wo gewöhnlich eine Scheide für ein Linkshänderschwert hängen würde.
Die zwei Soldaten mit dem orangefarbenen Sonnenbanner auf der rechten Schulter, die mit ihm gekommen sind, bleiben regungslos neben der Tür stehen.
»Willkommen, Ser Rignelgio.« Der silberhaarige Talryn zeigt auf den Stuhl. »Wollt Ihr Euch setzen?«
»So lange werde ich nicht bleiben.« Rignelgio lächelt missbilligend.
»Ihr wolltet uns sehen?«, fragt Heldra.
»Das ist korrekt, Ser Heldra.« Der Gesandte wendet sich nun allen drei Ratsmitgliedern zu.
Das Rauschen der Wellen dringt durch das offene Fenster herein.
»Der Kaiser ist immer häufiger beunruhigt über die fehlende Stabilität in Candar in der letzten ...«
»So wie wir«, unterbricht ihn Talryn.
»Aber nicht aus demselben Grund, wie wir annehmen.«
»Ah ja?« Heldra streckt den Kopf nach vorne.
»Es gibt Grund zur Annahme für den Kaiser, dass Recluce die Unordnung pflegt, um damit die eigene Ordnung zu stärken. Der Kaiser würde gern die Nachricht erhalten, dass diese Beschuldigung jeglicher Grundlage entbehrt. Er würde ebenso gern sehen, dass Recluce seine Aufmerksamkeit nur auf das eigene Land richtet und dass das Chaos, das sich in Candar verbreitet, dies ohne das Zutun und die Gutheißung von Recluce tut.« Rignelgio hebt entschuldigend die Hand. »Ihr versteht, ich bin nur der Bote, der dieses Ansinnen überbringt.«
»Wir erkennen Eure Position als Überbringer an, Ser Rignelgio«, antwortet Talryn ruhig.
Unter dem Tisch reibt Maris Daumen und Zeigefinger aneinander. Seine andere Hand streicht über den Bart, sein Blick wandert zu den zwei Soldaten in ihren zweckmäßigen gelbbraunen Baumwolluniformen.
»Dann versteht Ihr auch, warum es mich beunruhigen würde, nicht verstanden zu werden.«
Heldra und Talryn nicken.
»Das gegenseitige Verstehen ist oft der erste Schritt.« Talryns Stimme klingt noch tiefer als sonst. »Sogar wenn
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