Kampf der Gefuehle
Engländer auf sich hatte. Sie hatten sich seit Paris sehr verändert, waren nicht mehr Sie selbst. Ich dachte, der Kummer habe Sie geistig verwirrt, wie es manchmal bei alleinstehenden Witwen vorkommt. Ich musste in Erfahrung bringen, was mit Ihnen vor sich ging. Ich musste Sie beschützen, verstehen Sie das denn nicht? Alles geschah einzig und allein, um Sie zu beschützen.«
Er glaubt, was er sagt, wirklich und wahrhaftig, dachte sie bei sich. Das trug indes nichts dazu bei, ihre Empörung zu mildern. Entsetzt, ja, angeekelt fragte sie sich, ob ihm das, was sich letzte Nacht zwischen ihr und Gavin zugetragen hatte, wohl ebenfalls hinterbracht worden war.
»Mein Wohlergehen geht Sie nichts an, Alexander Nowgorodtschew!« Sie entriss ihm ihre Hand und ballte sie so fest zur Faust, dass die Nähte ihres Handschuhs zu platzen drohten. »Sie hatten kein Recht, einen Spion auf mich anzusetzen. Sie behaupten, ich sei nicht ich selbst, aber wie steht es mit Ihnen? Sie haben sich auf eine Weise verhalten, wie es kein Gentleman tun sollte — haben mich beobachten lassen, haben unter dem Vorwand eines Ehrenhandels versucht, einen Mord zu begehen, haben auf einen unbewaffneten Mann mit dem Säbel eingeschlagen. Wie konnten Sie diese Dinge nur tun?«
Seine Züge verzerrten sich, als litte er Qualen. »All das geschah lediglich um Ihretwillen, mon amour. Ich spürte, dass Sie dabei waren, mir zu entgleiten. Ich würde alles tun, um Sie für mich zu gewinnen.«
»Mon Dieu! Da haben Sie sich aber der falschen Methoden bedient!«
»Ziehen Sie die Taktik Ihres Fechtmeisters vor? Der sich in das Haus, im dem Sie wohnen, einschleicht, Sie in sein Schlafzimmer lockt, damit er mit Ihnen im Dunkeln allein sein kann und Ihnen mit seinen Händen ...«
»Schweigen Sie!«, rief sie mit vor Zorn bebender Stimme aus. »Was Sie getan haben, ist unsäglich schändlich. So etwas hätte ich nie von Ihnen erwartet. Da ich es aus Ihrem eigenen Mund gehört habe, wird es Sie nicht überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass ich Sie nie Wiedersehen will. Nehmen Sie Ihr Schiff und reisen Sie ab. Sollten wir je wieder zur selben Zeit in Paris sein, so verlange ich von Ihnen, dass Sie sich von mir fernhalten. Andernfalls werde ich mit meinem Rapier auf Sie losgehen, das schwöre ich bei allen Heiligen!«
Sascha starrte sie mit einem Gesichtsausdruck an, in dem sich Zorn und Kummer mischten. Dann richtete er sich kerzengerade auf. »Wie Sie wünschen, madame. Gehen Sie zu Ihrem kostbaren Engländer zurück und seien Sie seine Dirne. Etwas Besseres dürften Sie nicht verdienen.«
Dann machte er auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon. Während sie ihm hinterherblickte, stieg Übelkeit in ihr auf.
Gavin wusste Bescheid.
Sie hatte gedacht, dass er etwas ahnen könnte, aber mehr nicht. Sie hatte es nicht für möglich gehalten, dass
er ihr auf die Schliche kommen würde, da sie ihren Plan niemandem mitgeteilt hatte. Wie hatte er es herausgefunden? Und wann?
Es musste an dem Tag begonnen haben, an dem sie gesehen hatte, wie ihre Schwester und ihr Stiefvater vom Dampfschiff gebracht wurden. Ihr Schock und ihr Entsetzen waren so groß gewesen, dass sie ihre Gefühle nicht hatte verbergen können, obwohl sie sich alle Mühe gegeben hatte.
Er wusste Bescheid und hatte sich vorsätzlich darangemacht, ihren Racheplan zu untergraben. Er hatte sie verführt, hatte ihre weicheren Gefühle ausgenutzt, um sie in vermeintlichem Einklang der Leidenschaften zu besitzen, während er lediglich Triumph empfand. Sie war eine Herausforderung für ihn gewesen, ganz ohne Zweifel. Wie musste es ihn amüsiert haben, ihren Hass von sich abzuwenden, ihn in Begehren umzuwandeln.
Fast wäre es ihm geglückt, sie dazu zu bringen, ihren Plan aufzugeben. Sie war nahe daran gewesen, zu vergessen, was er getan hatte, weil sie sich stattdessen darauf konzentrierte, welche Gefühle er in ihr hervorrief.
Gewiss, auch sie hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn zu verführen, hatte sich die Tatsache zunutze gemacht, dass er sich offenbar von ihr angezogen fühlte. Vielleicht verdiente sie tatsächlich nichts Besseres, wie Sascha gesagt hatte. Gleichwohl tat das Ganze ihr weh — mehr, als sie für möglich gehalten hätte.
Wie seltsam das war, wo sie doch nichts für den englischen Fechtmeister empfand, was über die sexuelle Leidenschaft hinausging, die er so behutsam in ihr geweckt hatte und zu der sich vielleicht noch eine gewisse Dankbarkeit gesellen mochte, weil er ihr gezeigt
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