Kampf der Gefuehle
Abständen wieder zu sich, verlor jedoch jedes Mal erneut das Bewusstsein. Das eine Mal lag sie auf einer harten schmierigen, nach Fisch stinkenden Unterlage, die sich auf und ab bewegte und von einer hohen Holzwand eingefasst wurde, die dunkelblau angestrichen war und oben einen rötlichbraunen Streifen hatte. Ein andermal wurde sie mit nach unten hängendem Kopf und angewinkelten Knien getragen, während sich um sie herum alles auf Übelkeit erregende Weise drehte. Kurz wachte sie auf, als sie in ein schmales, sargartiges Behältnis gelegt und mit einer kratzigen Decke zugedeckt wurde, doch dann senkte sich wieder Dunkelheit auf sie herab.
Jetzt starrte sie auf einen nicht weit von ihr entfernten, matten Lichtschein, den sie ohne sonderlich große Neugier betrachtete, bis er sich langsam zu einer von der Decke hängenden Walöllampe konkretisierte. Es war eine Schiffslampe, denn das sanfte Schaukeln eines vor Anker liegenden Schiffes versetzte sie in ständige Bewegung.
Sie war auf einem Schiff, und es lag nahe, dass es sich dabei um die Leodes handelte. Morgen früh würde man die Segel hissen und langsam den Fluss hinunterfahren, um sich auf den Weg nach Marseille zu machen. Das hatte Sascha doch gesagt, oder? Sie war noch so benommen, dass sie sich nicht genau zu erinnern vermochte.
Er war nirgends zu sehen. Die Kabine war leer, soweit sie feststellen konnte, ohne den Kopf von dem harten Kissen der Koje, in der sie lag, zu heben. Außer dem Knarren und Ächzen des Schiffs und der reduzierten Takelung konnte sie nichts hören. Der größte Teil der Mannschaft hatte vermutlich Landurlaub, da dies die letzte Nacht im Hafen war. Sicher würden die Männer bald zurückkommen. Ariadne hatte das Gefühl, als sei einige Zeit vergangen, möglicherweise mehrere Stunden. Die Dunkelheit war hereingebrochen, was die Lampe nötig machte.
Sie hatte das Paketboot nach Natchitoches verpasst, würde diese Reise flussaufwärts vielleicht nie machen.
Sie stemmte sich mit dem Ellbogen hoch, hielt jedoch inne, da ihr schwindlig wurde. Kurz darauf versuchte sie es von neuem. Diesmal gelang es ihr, die Decke aus grober brauner Wolle von sich zu schieben und sich auf den Rand der Koje zu setzen. Es dauerte weitere ein oder zwei Minuten, bis sie ganz bei sich war. Dann setzte sie vorsichtig die Füße auf den Boden. Man hatte ihr die Halbstiefel ausgezogen, aber mehr nicht, wie sie feststellte, als ihre Röcke sich um ihre Knöchel schmiegten. Das war doch immerhin etwas.
Möglicherweise musste sie sogar für das Laudanum dankbar sein. Wenn es ihr nicht das Bewusstsein geraubt hätte, würde sie jetzt vielleicht nackt sein und unter dem schweinischen russischen Edelmann liegen, den sie für ihren Freund gehalten hatte. Was er dem Kapitän wohl erzählt hatte, um ihre Anwesenheit zu erklären? Hatte er gesagt, sie sei krank oder nicht ganz richtig im Kopf? Hatte er sie einfach als betrunkene Hure ausgegeben? Oder war es gar nicht nötig gewesen, sie als irgendetwas auszugeben?
Sie musste sich beeilen. Sascha würde vermutlich bald zurückkommen, um nach ihr zu sehen und seinen Triumph auszukosten. Sie stützte sich am Rand der Koje ab und versuchte verzweifelt, trotz des Schwankens des Schiffs das Gleichgewicht zu bewahren.
An der gegenüberliegenden Wand der Kabine standen drei große Schrankkoffer. Sie gehörten Sascha, denn sie trugen sein Wappen. Über der Lehne des am Tisch stehenden Stuhls hing sein militärisch geschnittener Mantel. Anscheinend hatte er angenommen, dass er sie, weil sie hinreichend außer Gefecht gesetzt war, eine Zeit lang allein lassen könne. Vielleicht beriet er sich gerade mit dem Kapitän oder trank etwas mit ihm.
Wenn er zurückkam, würde er erwarten, sie nach wie vor in seinem Bett vorzufinden. Sie brauchte eine Waffe, musste eine finden, bevor er wieder auftauchte.
In der Kabine fand sich nichts Scharfes oder Schweres, das sie zur Verteidigung hätte benutzen können. Saschas Stock mit dem Hundekopf war nirgends zu sehen. Offenbar hatte er ihn mitgenommen. In den Taschen seines Mantels entdeckte sie lediglich ein Paar Handschuhe, Fahrkartenabschnitte und eine Taschenuhr.
Sie ließ den Mantel wieder auf den Stuhl fallen und wandte sich den Schrankkoffern zu. Nachdem sie einen Schritt auf sie zugemacht hatte, blieb sie stehen. Seine Oberbekleidung zu durchsuchen war eine Sache. In seinen intimen Habseligkeiten herumzustöbern war etwas völlig anderes. Das war ein eklatanter Einbruch in die
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