Kampf der Gefuehle
ihm ganz recht war, wenn ich in solchen Situationen männlichen Schutz hatte. Sascha hat sich nie danebenbenommen und die Pflichten, die seine Rolle mit sich brachte, stets äußerst gewissenhaft erfüllt.«
»Aus diesem Grund zögerst du, ihn zu verletzen, nehme ich an.« Maurelles kluger Blick verriet, dass ihr bewusst war, wie nützlich solche Bewunderer für eine verheiratete Dame waren. Diese sogenannten, in der Gesellschaft aller europäischen Hauptstädte akzeptierten dienenden Kavaliere stellten sich an Empfangstagen ein, fungierten bei Einkaufstouren, Theaterbesuchen oder Soireen als Begleiter, wenn der Ehemann der betreffenden Dame indisponiert war oder keine Lust hatte mitzukommen, trugen den Umhang, die Handschuhe oder den Fächer ihrer Dame und überreichten ihr regelmäßig kleine Geschenke wie Bücher, Blumen oder Süßigkeiten. Obwohl dieses Gehabe von selbstsüchtiger Ergebenheit geprägt war, die gewisse Ähnlichkeiten mit der Attitüde der Hohen Minne des Mittelalters hatte, war die Verbundenheit des Gentleman in den meisten Fällen nur halb ernst gemeint und diente diesem als bequemer Schutzschild gegen die Listen und Ränke heiratsfähiger Frauen und ihrer kupplerischen Mamans. Obwohl es bisweilen zu einer Liebesaffäre kam, sorgte die Furcht vor einem Skandal gewöhnlich dafür, dass es bei einer rein platonischen Beziehung blieb.
»Er war da, als ich einen Freund brauchte«, bestätigte Ariadne.
»Ich sehe durchaus das Problem. Aber es kann sein, dass du inzwischen einen noch aufdringlicheren gewonnen hast.«
»Wie meinst du das?« Der ungewohnte Ernst, mit dem Maurelle sprach, ließ Ariadne aufhorchen. Normalerweise neigte ihre Freundin nicht zu mütterlicher Besorgnis.
»Monsieur Blackford hat mich heute Vormittag mit seinem Besuch beehrt.«
Ariadne hatte das Gefühl, als hätte jemand an den Bändern ihres Korsetts gezerrt und ihr die Brust eingeschnürt. »Und?«
»Du scheinst sein Interesse geweckt zu haben, etwas, das nicht häufig vorkommt. Bist du sicher, dass du weißt, worauf du dich einlässt? «
»Hat er Fragen gestellt?«
»Ganz gezielte«, erwiderte Maurelle, um anschließend einige Beispiele zu geben. »Ich habe ihm unterstellt, dass er in dich verschossen sei, aber wie nicht anders zu erwarten, ist er einer Antwort ausgewichen.«
»Das möchte ich doch wohl hoffen!«
Während sie sprach, dachte Ariadne daran zurück, wie der Engländer vor ihr seinen Gehrock und seine Weste abgelegt hatte, während ein Lächeln seinen wohlgeformten Mund umspielte. Mit plastischer Deutlichkeit sah sie seine geschickten Finger vor sich, die sein Hemd aufknöpften, um seinen kräftigen Hals und eine Andeutung dunkelgoldenen Brusthaars freizulegen. Er hatte gewusst, dass sie ihm zusah, doch das hatte ihm nichts ausgemacht, gleichsam als hielte er sie für eine erfahrene Frau, die dergleichen unterhaltsam fand.
Allein wenn sie daran dachte, kam ihr die Galle hoch. Wie konnte er es wagen, etwas Derartiges anzunehmen? Und wie er sie entwaffnet hatte, mit einer leichten Drehung des Handgelenks — zu ärgerlich!
Gleichwohl war sie einen ausgedehnten Moment lang wie gebannt gewesen, wie gelähmt von der unbändigen Kraft, die ein männlicher Körper auszustrahlen vermochte, und von der Perfektion, die ebendieser Körper hatte. Ihr Mann hatte sich nie vor ihr ausgezogen, sondern war immer im Dunkeln in ihr Schlafzimmer gekommen. Ob er sich so verhielt, um ihr ein Erröten zu ersparen, oder weil er wusste, dass er aufgrund seiner Krankheit ausgezehrt und unmännlich aussah, entzog sich ihrer Kenntnis. Jedenfalls hatte sie infolgedessen wesentlich weniger Erfahrung mit solchen Situationen, als Monsieur Blackford annehmen mochte.
Sie gehörte indes nicht zu den Frauen, die sich von unverhohlener Maskulinität beeindrucken ließen. Sie zog Männer mit zarten, sanften Manieren vor, Männer, die Musik und Dichtkunst sowie die eleganteren Aspekte des Lebens zu schätzen wussten. Verschwitzte Kraft und die Fähigkeit zu töten ließen ihr Herz nicht höher schlagen. Nein, in keiner Weise.
»Sascha den Laufpass zu erteilen könnte sich als voreilig erweisen«, sagte sie nach einer Weile.
»Weil du meinst, dein Russe könnte dich irgendwie vor Monsieur Blackfords allzu großem Interesse schützen? So sehr es mir widerstrebt, dich zu beunruhigen - sollte der Engländer beschließen, dir nachzustellen, dann wäre dein Russe dir kaum von Nutzen. Diesem Engländer sind wenige Dinge heilig, und Grenzen,
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