Kampf der Gefuehle
dass jenes missratene Exemplar von Mann, das sich ihren Zorn zugezogen hat, ihr etwas zuleide tut. Das wird, wie ich Ihnen versichere, mein einziger Beitrag dazu sein, dass ihr Aufenthalt sich nützlich gestaltet und zur bleibenden Erinnerung wird.«
»Ach ja?«, murmelte Madame Maurelle Herriot und starrte ihm nachdenklich hinterher, nachdem er sich über ihre Hand gebeugt und aus dem Frühstückszimmer in die Galerie getreten war, die den Innenhof säumte, wo nach wie vor der Regen niederprasselte. »Tatsächlich?«
Obwohl Gavin die gemurmelte Bemerkung hörte, machte er sich nicht die Mühe zurückzublicken, geschweige denn eine Antwort zu geben.
Sechstes Kapitel
Nachdem sie in das Stadthaus zurückgekehrt waren, schickte Ariadne die Zofe Adele - eine junge lebhafte Frau, die mit ihren goldenen Ohrringen und dem weißen Kopftuch ganz bezaubernd aussah — in die Küche, damit sie sich am Feuer die Röcke trocknen konnte. Ariadne blieb vor der Tür zum Salon stehen, nahm ihre Haube ab und übergab Solon ihren Regenmantel, um zu vermeiden, dass die Teppiche nass wurden. Sobald sie sich das Haar glattgestrichen und die Röcke ihres Straßenkostüms aus feinem, waldgrünem Tuch ausgeschüttelt hatte, gesellte sie sich zu ihrer Gastgeberin, die sie durch die Verandatür erspäht hatte.
Maurelle, die an ihrem s ecretaire saß und einen Brief schrieb, blickte auf und lächelte Ariadne zu. »Da bist du ja endlich. Ich habe dich schon vor einer Stunde zurückerwartet, ma chere. Du bist wohl klatschnass geworden, wie?«
»So ziemlich«, antwortete Ariadne mit leisem Lachen, »ich hatte fast vergessen, wie stark es hier regnet. Diese riesigen Tropfen sind doch etwas anderes als der zivilisierte Nieselregen in Paris.«
»Gieß dir eine Tasse Schokolade ein, damit dir wieder warm wird. Solon hat sie gerade gebracht, sie ist also noch schön heiß.«
»Das hat er mir bereits mitgeteilt.« Ariadne trat zu
dem Tablett, auf dem eine mit Nelken bemalte Schokoladenkanne mit dazu passenden Tassen sowie ein kristallener Kuchenständer voller Baisers standen. Nachdem sie sich eine Tasse Schokolade eingeschenkt hatte, schlenderte sie damit zu dem im Kamin brennenden Feuer und streckte die Hand in Richtung der Flammen. »Er kümmert sich wirklich gut um dich, dein Solon.«
»Ich weiß gar nicht, was ich ohne ihn anfangen würde.« Maurelle streute Sand über ihren Brief, den sie anschließend zusammenfaltete. »War dein Einkaufsbummel erfolgreich?«
»Höchst erfolgreich.«
»Dann hast du also ein Fechtkostüm gefunden?«
»Nein, aber eins in Auftrag gegeben.« Ariadne lächelte schelmisch. »Ich kann es kaum erwarten, dein Gesicht zu sehen, wenn ich es dir vorführe. Ich wüsste gar nicht zu sagen, wer über meine Wünsche schockierter war, Adele oder Madame Pluche.«
Maurelle warf ihr einen resignierten Blick zu. »Was hast du denn jetzt wieder angestellt?«
»Das werde ich dir nicht verraten, weil du sonst vielleicht darauf bestehen würdest, dass ich den Auftrag rückgängig mache. Du wirst dich also gedulden müssen.«
»Mon dieu! Als ob Fechtunterricht und mitternächtliche Treffen mit gefährlichen Fechtmeistern noch nicht genug wären! Wenn du so weitermachst, könnte es passieren, dass selbst dein in dich vernarrter Russe sich von dir abwendet.«
»Wenn er es doch bloß täte! Wie entmutigt man denn einen Mann, der glaubt, er sei unentbehrlich?«
»Das geht ganz leicht, sofern du es wirklich willst. Ich wollte dich schon lange tragen, was sich eigentlich zwischen euch abspielt, ma chere. Ich weiß, dass dieser Sascha dir in Paris den Hof gemacht hat, aber mir war nicht klar, dass eure Beziehung ernsthafter Natur ist.«
»Das ist auch nicht der Fall — außer in seiner Einbildung.« Ariadne seufzte.
»Was spricht denn dagegen, wenn ich fragen darf? In Paris wurde gemunkelt, er sei ein Cousin des Zaren, obwohl seine Mutter Französin ist.«
»Stimmt. Allerdings musste er St. Petersburg verlassen, weil er dort in Ungnade gefallen ist. Die genauen Einzelheiten kenne ich nicht, aber offenbar stand er in Verbindung mit einer Gruppe, die einen Staatsstreich oder etwas in der Art plante. Sein Exil bereitet ihm großen Kummer, besonders die Tatsache, dass er von seiner Familie getrennt ist. Was unsere Bekanntschaft betrifft, so hat er sich nach unserer ersten Begegnung eigenmächtig zu meinem cavaliere servante ernannt. Damals war Jean Marc schon krank und konnte mich nicht begleiten, wenn ich ausging, so dass es
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