Kampf der Gefuehle
Brötchen ab, trank jedoch einen Schluck Milchkaffee, bevor er Maurelles Frage indirekt beantwortete. »Weilt Madame Faucher noch im Bett?«
»Aber nein! Sie ist fast so erpicht auf Morgenlicht und Regen wie Sie. Wie mir berichtet wurde, ist sie zusammen mit meiner Zofe Adele ausgegangen, um verschiedene Geschäfte aufzusuchen. Ihre eigene Zofe ist nämlich in Paris geblieben, weil sie überzeugt war, dass sie hier von Wilden massakriert werden würde. Ich meine mich zu erinnern, dass die liebe Ariadne etwas von einem Ensemble sagte, das sich für den Fechtunterricht eignet. Allerdings war ich schon halb eingeschlafen, als sie mir davon erzählte. Wollten Sie sie sprechen?«
»Ja, wenn es keine Umstände macht«, erwiderte er, »obwohl es mir recht gelegen kommt, mit Ihnen allein reden zu können. Haben Sie eine Ahnung, warum sie irgendeinem armen Teufel den Garaus machen und ihn aufspießen will?«
Maurelle, die gerade mit wohlwollendem Lächeln sein blassgelbes, mit einer Nadel aus Türkis befestigtes Halstuch betrachtete, sah ihn bestürzt an. »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Weil sie statt seiner mich attackiert hat. Es macht mir nichts aus, in der Hitze des Gefechts den einen oder anderen Treffer abzubekommen, ich würde es aber vorziehen, mich darauf einstellen zu können.«
»Hat sie Sie etwa verletzt?«
»Nein, aber versucht hat sie es. Vielleicht können Sie mir verraten, wie klug oder unklug es ist, ihr zu helfen.«
»Sie kann doch nicht angenommen haben, dass sie es schaffen würde, Sie zu überwinden.«
»Falls sie es doch getan haben sollte, dann tut sie es jetzt nicht mehr.« Er machte eine Pause und runzelte die Stirn, weil er außerstande war, zu sagen, was genau in Ariadne Fauchers Kopf vor sich ging. Nach ihrem kurzen Kampf hätte sie ihm nicht mehr ein solches Rätsel sein dürfen. Es verdross ihn, dass er es nicht geschafft hatte herauszufinden, was sie antrieb oder wie weit sie gehen würde, um ihr Ziel zu erreichen. Die Heftigkeit, mit der sie auf ihn losgegangen war, hatte ihn derart überrascht, dass er keinen klaren Gedanken hatte fassen können. Das ärgerte ihn besonders. »Sollte ich also meinen Brustschutz lieber verkehrt herum tragen?«
Maurelle strich sich mit der Hand über die Schläfe. »Drücken Sie sich bitte so früh am Morgen nicht derart unklar aus, mon cher, denn dem bin ich nicht gewachsen. Wenn Sie damit meinen, ob sie die Verrücktheit besäße, jemanden in den Rücken zu stechen, dann lautet die Antwort ganz entschieden nein. Sie ist völlig normal.«
»Aber von unbändiger Wut erfüllt. Warum?«
»Das weiß ich nicht. Mir gegenüber hat sie diesen Fechtunterricht als Laune hingestellt, als Versuch, eine Mode ins Leben zu rufen.«
Gavin lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah Maurelle aufmerksam an, die seinem Blick jedoch auswich. Er hätte schwören können, dass sie um den Mund herum blass geworden war. »Und wenn Sie vermuteten, dass mehr dahintersteckt, würden Sie es mir nicht verraten.«
»Aber, mon cher! «
»Oder? «
»Ganz gewiss nicht ohne ihre Erlaubnis. Ich bemühe mich nämlich, meinen Freunden gegenüber loyal zu sein.« Nachdem sie ihren Turban so zurechtgerückt hat-te, dass er vorteilhafter saß, langte sie nach einem Brötchen.
Das war, wie er zugeben musste, in der Tat der Fall. Maurelle liebte Klatsch und Tratsch über alles, hielt sich bei solchen Dingen jedoch an einen persönlichen Ehrenkodex, der so strikt war wie der, den die Fechtmeister befolgten. »Sie müssen die Dame schon seit einiger Zeit kennen, wenn sie Ihnen so lieb und teuer ist.«
»Seit etlichen Jahren. Wir haben uns in Paris kennengelernt, bei einem meiner Aufenthalte dort.«
»Ihr Akzent ist aber nicht pariserisch.«
»Ihre Familie stammt aus Louisiana, von irgendwo flussaufwärts, glaube ich. Als wir miteinander bekannt wurden, hatte sie gerade das Oberhaupt einer Bankiersfamilie geheiratet, die in Frankreich einiges Ansehen genießt. Ihre Eltern waren hierher zurückgekehrt, und da sie in Paris niemanden kannte, ja, selbst ihren Ehemann kaum kannte, fühlte sie sich einsam.«
»Eine arrangierte Ehe, wenn ich es recht verstehe.«
»Und eine exzellente Verbindung, obwohl ihr Mann an Schwindsucht litt. Jean Marc Faucher war ein entfernter Verwandter ihres Vaters, ein freundlicher, sanfter Mensch von hoher Intelligenz und großer Bildung. Möglicherweise hoffte er, noch ein Kind zeugen zu können, aber das hat nicht sollen sein.«
»Das hört sich kaum nach
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