Kampf der Gefuehle
andere ihr Leben bestimmten, auch wenn die Familie ihres Mannes das vorgezogen hätte.
Jean Marcs Bruder hatte angeboten, sie zu heiraten. Diese Heuchelei erfüllte sie nach wie vor mit Bestürzung, denn sie wusste nur zu gut, was dahintersteckte: das beträchtliche Vermögen sollte in der Familie bleiben. Seine Schwester hatte sie angefleht, den Antrag anzunehmen, hatte ihr unter Tränen geschworen, dass die Familie eine Trennung von ihr nicht ertragen könne. Vielleicht war sie ja hart und zynisch geworden. Trotzdem vermochte sie sich nicht vorzustellen, dass an dem, was die anderen sagten, auch nur ein wahres Wort war.
Nein, bei ihnen zu bleiben hätte bedeutet, in der Vergangenheit zu verharren, einer trostlosen, von Kummer und Erinnerungen geprägten Vergangenheit. Sie musste vorwärtsstreben, sich von allem befreien, um wieder leben zu können.
»Ma chere ?« Maurelle berührte sie am Arm, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Ariadne lächelte sie matt an. »Ich bitte tausendmal um Verzeihung, ich war mit meinen Gedanken ganz woanders. Was sagtest du gerade?«
»Zoe hat gefragt, ob du Lust hättest, morgen Abend an einer Soiree teilzunehmen, auf der die Opernsänger dieser Saison vorgestellt werden sollen.«
Die Diva nickte energisch mit dem Kopf, was der Papagei auf ihrer Schulter nachmachte. »Der Direktor trägt die Unkosten der Veranstaltung, die unter anderem dazu dienen soll, Mäzene zu gewinnen. Das Essen und der Wein werden exzellent sein, die Gesellschaft vom Feinsten.« Mit einer theatralischen Geste küsste sie ihre Fingerspitzen.
»Bedauerlicherweise habe ich schon eine andere Verabredung.«
»Tatsächlich? Und was könnte das sein?« Zoe lächelte sie schelmisch an.
»Nichts Besonderes.« Je weniger Personen von ihren Treffen mit dem Fechtmeister wussten, desto besser, fand Ariadne.
»Du kannst es ihr ruhig verraten, ma chere. In Kürze werden es ohnehin alle wissen.«
»So? «
»Weil die Dienerschaft es weitererzählen wird, verstehst du. Es ist unmöglich, vor denen irgendetwas geheim zu halten.«
»Mais jamais!«., kreischte der Papagei.
Das passte erneut erstaunlich gut, fast als hätte der Papagei das Gespräch verstanden, obwohl es vielleicht nur daran lag, dass er den Rest seines Baisers gegessen hatte. »Ich werde eine weitere Fechtstunde haben«, sagte Ariadne, indem sie ein Achselzucken andeutete. »Maurelle war so freundlich, mir dafür einen Raum zur Verfügung zu stellen.«
»Wie mutig von Ihnen!«
»Überhaupt nicht. Bei unserem letzten Treffen war eher Geduld als Courage erforderlich.« Sie trank ihre Schokolade aus und versuchte, blasiert zu wirken.
»Bei unserem Treffen?« Zoe sah Ariadne derart durchdringend an, dass es ihr Unbehagen bereitete. »Dann werden Sie also von einem Fechtmeister unterrichtet. Und von welchem, wenn ich fragen darf?«
»Monsieur Blackford. Das ist auch der Grund für mein Interesse an seiner Vergangenheit.«
»O ma chere, fast möchte ich Sie beneiden. Dieser Unterricht findet privat statt, ja? Mit dem Engländer allein zu sein, ihm gegenüber zu stehen, wenn er zum Fechten einen Teil seiner Kleidung abgelegt hat — oh, oh, allein wenn ich daran denke, fängt mein Herz an zu galoppieren.« Die Diva legte sich die Hand auf den üppigen Busen, während ihre Augen belustigt funkelten.
»So aufregend ist das gar nicht.« Trotz dieser Entgegnung bemerkte Ariadne, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
»Erzählen Sie mir bloß nicht, dass es dabei nur um Paraden und Riposten geht! Das werde ich nicht glauben, das will ich nicht glauben. Nein, nein, das alles ist höchst romantisch, dessen bin ich mir sicher. Ich werde mir erlauben, am Morgen danach Maurelle aufzusuchen, um herauszufinden, was für Fortschritte Sie machen.«
»Vache!«, stellte der Papagei fest.
Dem konnte Ariadne, die höflich lächelte, nur beipflichten. Oberkuh, um genau zu sein. Dabei hatte sie es unter allen Umständen vermeiden wollen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihren Unterricht zu lenken. Wenn die Dinge sich weiter so entwickelten, konnte sie ebenso gut Anschläge an die Laternenpfähle hängen und Eintritt verlangen.
Sie musste lernen, was erforderlich war, und diese Angelegenheit zu Ende bringen. Je eher, desto besser.
Siebtes Kapitel
»Praktisch, höchst praktisch«, stellte Gavin, lässig eine Augenbraue hochziehend, fest, als er das Ensemble in Augenschein nahm, in dem Ariadne zu ihrer zweiten Fechtstunde erschienen war, »überdies provokativ. Ist es
Weitere Kostenlose Bücher