Kampf der Gefuehle
es eindeutig eine Begrüßung. Die Beklommenheit in seiner Brust löste sich so schlagartig auf, dass er einen Laut ausstieß, der halb Lachen, halb Ächzen war.
»Hast du etwas gesagt?«, fragte Caid, über die Schulter blickend.
»Nein«, antwortete er, ohne den Blick von der gegenüberliegenden Loge zu wenden. »Überhaupt nichts.«
In dem Moment sah er, wie eine etwa fünfzigjährige Frau in einer Abendrobe von altmodisch ländlicher Schlichtheit in Maurelles Loge stürmte. Abrupt machte sie halt und musterte die Gesichter der Anwesenden, bis ihr Blick sich auf Ariadne heftete. Sie legte die Hand auf die Brust und trat auf sie zu. Ihre Lippen bewegten sich, und etwas an ihrem Gesichtsausdruck, an der Art und Weise, wie sie die Hände rang, ließ die Begrüßung irgendwie flehentlich wirken.
Madame Faucher starrte die Frau eine Ewigkeit lang an, bevor sie sich langsam erhob. Ihr Gesicht war kreidebleich, und Gavin hatte den Eindruck, dass sie leicht schwankend dastand. Der Russe streckte den Arm aus, als wolle er sie stützen, doch sie schüttelte seine Hand ab.
»Condessa«, sagte Gavin, sich ohne Skrupel in das Gespräch zwischen der Dame und seinem Freund Caid mischend, »wissen Sie zufällig, wer die Frau ist, mit der Madame Faucher spricht?«
Celina starrte einen Moment lang zu der anderen Loge hinüber. »Man hat mir erzählt, sie sei die Frau eines flussaufwärts lebenden Pflanzers. An den Namen kann ich mich allerdings nicht erinnern. Ich glaube, sie hat eine Tochter, die in dieser Saison in die Gesellschaft eingeführt werden soll.«
»Madame Arpege«, teilte Caid mit, nachdem er einen flüchtigen Blick auf die Frau geworfen hatte. »Die Plantage ihres Mannes liegt einige Meilen von unserem Landsitz entfernt. Sie und Monsieur Arpege haben das Haus voller Töchter, um die Wahrheit zu sagen. Lisette hält mir die Dame regelmäßig als Beispiel von Fruchtbarkeit vor Augen, dem sie nicht nachzueifern beabsichtigt.«
Während sie sich unterhielten, beobachteten sie, wie die Frau sich von Ariadne abwandte. Offenbar hatte man ihr weder einen Stuhl angeboten noch sie aufgefordert zu bleiben. »In welcher Beziehung steht sie zu Madame Faucher?«
»Wer weiß? Ihrem Äußeren nach könnte sie ohne Weiteres eine entfernte Cousine sein.«
Das leuchtete Gavin ein, denn in der Tat schien zwischen den beiden Frauen eine gewisse Ähnlichkeit zu bestehen. Nichts war wahrscheinlicher. Kreolische Familien waren groß und weitverzweigt, weil es in den Jahren, als die Stadt noch ein isolierter kolonialer Außenposten gewesen war, häufig zu Eheschließungen zwischen Cousins und Cousinen gekommen war. Er sah, wie die Frau die Hand vor den Mund legte, sich umdrehte und mit hängenden Schultern die Loge verließ. »Anscheinend keine nahe Verwandte«, stellte er fest.
»Den Eindruck habe ich auch«, pflichtete Caid ihm
bei.
»Mit einiger List ließ sich vielleicht mehr herausfinden.«
»Die Mühe könntest du dir sparen, indem du einfach Maurelle fragst«, gab sein Freund in trockenem Ton zurück.
»Das Problematische an diesem Vorschlag ist, dass sie ebenfalls nicht Bescheid zu wissen scheint.« Es konnte sein, dass nur Ariadne in der Lage sein würde, seine Neugier zu stillen. Dass das passierte, war ungefähr so wahrscheinlich, wie dass sie auf seine fleischlichen Lüste einging.
»Madame Zoe könnte etwas wissen«, sagte der Ire nach kurzem Schweigen. »Sie hat im Laufe der einzelnen Wintersaisons praktisch jeden kennengelernt.«
»Stimmt«, meinte Gavin nachdenklich. Der Vorschlag hatte einen Vorteil, der der direkten Methode fehlte. Im Gegensatz zu seiner Schülerin würde die Diva, wenn er sie fragte, wahrscheinlich nicht mit einer scharfen Waffe auf ihn losgehen.
Vielleicht war es besser, wenn er die Dame heute Abend doch nicht in ihrer Loge aufsuchte. Er sah auch so, dass ihre Verletzung ihr offenbar kein Ungemach bereitete. Folglich konnte er, um sich das Ganze anzusehen, warten, bis sich eine weniger angespannte und intimere Situation ergab.
Deshalb überließen er und Caid ihre Plätze anderen Gentlemen, die schon darauf warteten, Celina ihre Reverenz zu erweisen, und zogen sich zusammen mit Rio und Celinas Bruder Denys Vallier in den Gang vor der Loge zurück. Dort steckten sie die Köpfe zusammen und unterhielten sich über die neuesten Nachrichten, die in der Stadt kursierten, insbesondere darüber, dass an der Grenze zu Mexiko die Kriegstrommel gerührt wurde.
»Vermutlich habt ihr schon
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