Kampf der Gefuehle
Offenheit, aber ...«
»Aber du machst dir Sorgen um die Dame und ihren Ruf? Beide haben nichts von mir zu befürchten.«
»Du hast mich missverstanden. Ich habe an dich und deinen Ruf gedacht. Hast du in dieser Hinsicht von ihr nichts zu befürchten?«
»Gute Frage«, räumte Gavin ein. »Wenn ich die Antwort kenne, werde ich dich's wissen lassen.«
Die Vorstellung begann zur festgesetzten Zeit. Die Gasbeleuchtung wurde auf dramatische Weise gedämpft, das Publikum kam zur Ruhe, der Vorhang öffnete sich und gab den Blick auf eine Gartenszene frei. Das Rampenlicht flammte auf, um die Diva in all ihrer Pracht zu zeigen. Sie stand in nachdenklicher Pose da, dem Publikum den Rücken zukehrend. Dann drehte sie sich mit theatralischer Gebärde um und begann zu singen. Ihre Stimme ergoss sich über die Anwesenden wie geschmolzener Honig, der mit bestem Brandy versetzt war.
Wie sich im Laufe des Abends erwies, war Madame Savoie in Hochform. Sich anmutig auf der Bühne hin und her bewegend, schlug sie das Publikum in Bann. Beliebten Arien wurde donnernder Applaus zuteil, sobald die vertrauten Melodien erklangen, während bei weniger bekannten Liedern eine Stille eintrat, die noch eindrucksvoller war. Wieder und wieder erschallte der Ruf »Brava! Brava!«, stieg zu dem großen Kronleuchter aus Bronze und Kristall auf und wirbelte den Dunst des Rampenlichts durcheinander.
Gavin schlenderte mit Caid umher, wie es auch zahlreiche andere Männer taten, die wie gewöhnlich auf die Pause warteten, denn dann war es ihnen gestattet, die Logen von Damen aufzusuchen, die nicht zu ihrer Familie gehörten. Ihm war vor allem daran gelegen, in Maurelles Loge vorbeizuschauen, um seine Honneurs zu machen und sich nach der Verletzung seiner Schülerin zu erkundigen. Da er jedoch nicht wollte, dass sein Interesse zu offenkundig wurde, beabsichtigte er, sich zuerst in die Loge des Conde und der Condessa de Lerida zu begeben.
Als es schließlich so weit war, ließ er Caid vorangehen und hielt sich im Hintergrund, während der Ire auf die Condessa zutrat, die einst auf den Namen Celina Vallier gehört hatte. Derweil sein Freund die Dame begrüßte, schweifte Gavins Blick an diesem vorbei und heftete sich auf die Loge auf der gegenüberliegenden Seite des Theaters. Dort saß Madame Faucher neben Maurelle, halb auf ihrem Stuhl zurückgewandt, um sich mit drei der vier Gentlemen zu unterhalten, die sich in der Loge drängten, und schaute lachend zu Nowgorodtschew hoch, der hinter ihrem Stuhl stand. Als Gavin bemerkte, wie ungezwungen sich dieser stämmige weißhaarige Gentleman benahm — so als stehe es ihm zu, den Platz hinter ihrem Stuhl einzunehmen —, presste er die Zähne aufeinander. Auch die lässige Art, in der der andere seine behandschuhten Fingerspitzen auf der nackten Schulter der Dame ruhen ließ, brachte ihn auf.
Celina richtete eine Frage an ihn, in der es um Napoleon, Madame Zoes für seine Ruppigkeit bekannten Papagei, ging. Nur mit Mühe vermochte sich Gavin zu konzentrieren und ihre Frage zu beantworten. Als er seine Aufmerksamkeit wieder Maurelles Loge zuwenden konnte, nahm er mit Genugtuung zur Kenntnis, dass Ariadne die Hand des Russen abgeschüttelt hatte, indem sie sich ein Stück nach vorn gebeugt hatte. Jetzt hielt sie sich ihr Opernglas vor die Augen, um die Parkettplätze und die Reihen der Logen zu inspizieren.
Als sie sich der Loge zuwandte, in der er stand, brach sich das Licht blitzend in ihrem Opernglas. Sie hielt in ihrer Inspektion inne. War diese Geste irgendwie aufschlussreich? Wusste sie, dass er hier war? Oder war es lediglich der spanische Adel in Gestalt von Rio und Celina, der ihre Aufmerksamkeit gefesselt hatte? Obwohl Gavin keine Ahnung hatte, wie es sich verhielt, verriet ihm ein Kribbeln im Nacken, dass er gerade in Augenschein genommen wurde. Er richtete den Blick auf das Opernglas und verbeugte sich.
Abrupt ließ sie das Opernglas sinken und drehte sich mit einer jähen Bewegung zur Seite, um etwas zu Maurelle zu sagen. Gavin lächelte bitter. Sie hatte also nicht die Absicht, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Obwohl er nichts anderes erwartet hatte, merkte er, dass er zutiefst enttäuscht war.
Doch in dem Moment drehte sie sich ihm wieder zu und reckte trotzig das Kinn in die Höhe, eine Geste, die ihm von ihrer letzten Begegnung noch lebhaft in Erinnerung war. Dann neigte sie auf steife und gemessene, fast herausfordernde Art den Kopf in seine Richtung. Obwohl sie dabei nicht lächelte, war
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