Kampf der Gefuehle
an, fand er. »Ich kann ja, wenn Sie es wünschen, so tun, als schliefe ich.«
»Warum sollten Sie das tun?«
»Weil es angenehmer für Sie ist? Sie könnten das Glas abstellen und gehen, ohne mit mir reden zu müssen.«
»Das kann ich auch so tun.« Rasch schritt sie durchs Zimmer und stellte das Tablett auf einen kleinen Tisch, der sich in seiner Reichweite befand.
»Das wäre aber nicht freundlich - einmal vorausgesetzt, dass Ihnen daran gelegen ist, freundlich zu sein. Aber schließlich haben Sie ja veranlasst, dass ich hierhergebracht werde, was offenbar in guter Absicht geschah. Sie waren doch auf dem Duellplatz, oder?«
»Daran erinnern Sie sich also noch.«
»Das Ganze ist mir nach wie vor ein Rätsel, ebenso wie die Tatsache, dass Sie mich pflegen.«
»Falls Sie versuchen herauszufinden, warum ich mich eingemischt habe, nun, dafür habe ich meine Gründe. Außerdem sind die Betten im Charity Hospital und im Maison de Santi alle mit den Opfern des Schiffsunglücks belegt.«
Er betrachtete seine Hände, die bleich und schlaff auf der Bettdecke lagen. »Dann haben Sie also aus Barmherzigkeit so gehandelt.«
»Das war das Mindeste, was ich tun konnte, nachdem jemand, der meinte, in meinem Interesse zu agieren, sich Ihnen gegenüber so heimtückisch verhalten hat.«
Während sie sprach, ging sie zum Fenster und zog die Vorhänge zurecht, damit die Sonnenstrahlen nicht direkt auf seine Kopfkissen fielen. Ihr Gesicht, das er im Profil sah, wirkte ernst und sachlich. Das warme Licht hob ihren perfekten Mund hervor, was ihm in Erinnerung rief, dass er diese Lippen vor nicht allzu langer Zeit geküsst hatte und was für ein berauschendes Gefühl das gewesen war. Wobei er im Moment nichts lieber getan hätte, als sie erneut zu küssen. Die Intensität dieses Wunschs und das ungebärdige Verhalten seines Körpers
waren ausreichende Beweise dafür, dass es ihm besser
ging.
»Wie geht es dem Rappen, den ich geritten habe?«, erkundigte er sich.
»Wie Ihr Freund Caid uns berichtet hat, wird er sich wieder erholen; allerdings wird er eine beträchtliche Narbe zurückbehalten. Wobei mir einfällt, dass der Arzt Dr. Labatut diese Diagnose auch dem Reiter gestellt hat.«
»Also kein mitleidiger coup degrace für Mann und Tier? Dann kann man uns beiden ja nur gratulieren. Und was ist aus Nowgorodtschew geworden?«, fuhr Gavin mit ruhiger Stimme fort, obwohl diese Fragen ihn quälten, seit er vor einer Stunde erwacht war.
»Er lebt noch, obwohl es ihm vielleicht lieber wäre, es nicht zu tun. Er ist über alle Maßen zerknirscht, weil er sein Temperament nicht zu zügeln vermochte. Das entschuldigt ihn natürlich in keiner Weise und wird niemanden, der von dem Duell hört, davon abbringen, ihn zu verachten. Sobald er sich von seiner Gehirnerschütterung erholt hat, will er sich nach Paris einschiffen.«
»Und Sie zurücklassen? Eine harte Strafe für einen Moment des Wahnsinns.«
Sie drehte sich ihm zu und sah ihn stirnrunzelnd an. »Das sagen Sie, wo es ihm doch fast mit einem überaus ehrlosen Trick gelungen wäre, Sie zu töten?«
»In einem Duell geht es nicht immer nach den Regeln der Höflichkeit und des Anstands zu«, erwiderte er. »Außerdem war das, was ihn anspornte, von einigem Gewicht. Er dachte, er müsse Sie retten.« Das war ein wenig gewagt, aber er wollte unbedingt wissen, wie sie auf den unausgesprochenen Vorwurf reagieren würde.
»Vor dem gesellschaftlichen Ruin, meinen Sie«, sagte sie. »Ich möchte bezweifeln, dass sein Motiv so edel war. Er ist ein Mann, der die Menschen in seiner Umgebung gern herumkommandiert.«
»Und Sie lassen sich nicht herumkommandieren.«
»Eine Schwäche von mir«, gab sie, ein Lächelnd andeutend, zu, »aber so ist es nun mal. Da ihm die Mittel fehlten, mich seinem Willen zu unterwerfen, wollte er es mir unmöglich machen, ihm nicht zu gehorchen, indem er Sie aus dem Wege räumte.«
»Sehr kurzsichtig von ihm, wenn man bedenkt, wie viele andere Fechtmeister es in der Passage gibt.«
»Vorausplanung ist noch nie seine starke Seite gewesen. Im Gegensatz zu einigen anderen«, gab sie kurz angebunden zurück, während sie sich von ihm abwandte und auf die Tür zuschritt. »Jetzt muss ich gehen. Ein zu langes Gespräch strapaziert Sie zu sehr.«
»Halte ich für unwahrscheinlich«, erwiderte er in trockenem Ton, »allerdings dürfte es nicht klug sein, wenn Sie mit Ihrem Patienten zu viel Zeit hinter geschlossener Tür verbringen.«
Sie blieb mit der Hand
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