Kampf für Freiheit
verlor er die Besinnung.
Marcus träumte, er wäre zu Hause auf dem Bauernhof. Es war ein heller Tag im Spätfrühling. Das Land strahlte vor frischen Blüten und das neue Laub glänzte an den Bäumen. Die Sonne liebkoste ihn mit ihren warmen Strahlen, Schmetterlinge flatterten durch die Luft und ringsum summten schläfrig die Insekten. Er war jagen gewesen, hatte aber keine Beute gemacht. Trotzdem war er glücklich und zufrieden, als er über den Pfad zwischen den Olivenhainen zum Eingangstor ging. Sein Herz hüpfte vor Freude, als er seine Eltern sah, die dort auf ihn warteten und ihm lächelnd zuwinkten. Marcus trabte los und rannte dann mit ausgestreckten Armen auf sie zu.
Doch als er kaum noch zwanzig Schritte von ihnen entfernt war, begannen seine Eltern zu verblassen, bis sie nur noch Schatten waren. »Nein«, stöhnte Marcus und wälzte sich auf dem Lager. Nachdem sie sich in nichts aufgelöst hatten, begann auch der Bauernhof zu verschwinden, und ringsum wurde die Dunkelheit immer dichter, bis sie die Landschaft ganz verdeckte. Verzweifelt schrie er auf: »Mutter! Vater! Verlasst mich nicht!«
Dann spürte Marcus einen scharfen, brennenden Schmerz an der Seite. Er öffnete vorsichtig die Augen. Er sah, dass er sich in einem schlichten, weiß getünchten Raum befand. Eine Tür führte auf einen Säulengang hinaus und er schaute auf einen Innenhof mit einem gepflegten Garten. Er erkannte die Umgebung wieder: Er war in Porcinos Villa. Dann hörte er ein Scharren, wandte den Kopf und sah einen Mann, der neben ihm auf einem Schemel saß.
»Ich bin leider nicht dein Vater.« Der Mann lächelte. »Obwohl ich in meinem Leben viele Frauen kannte und es durchaus möglich wäre.« Er lachte. Es war ein warmes, herzliches Lachen.
Marcus starrte ihn an. »Ich kenne Euch, glaube ich. Ich erkenne Euer Gesicht.« Dann begriff er. Dies war der Anführer der kleinen Gesellschaft, die sich die Gladiatorenkämpfe angesehen hatte.
»Man hat uns nicht förmlich miteinander bekannt gemacht, mein Junge. Ich heiße Gaius Julius Caesar.« Er sagte das in einem Ton, als müsste der Name Marcus etwas bedeuten. Das Lächeln verging ihm ein wenig, als er keine Reaktion auf diese Worte erhielt. »Na, jedenfalls wollte ich hier sein, wenn du wieder zu dir kommst. Ich wollte dir danken, dass du meiner Nichte Portia das Leben gerettet hast.«
Marcus schloss kurz die Augen und zwang sich mit Mühe, seine Gedanken zu sammeln. »Das war das Mädchen, das in die Arena gefallen ist?«
»Ja.«
»Ist sie unverletzt?«
»Es geht ihr gut. Porcinos Leibarzt hat ihre Verletzung behandelt und bandagiert. Er meint, sie würde sich schon bald erholen. Das hat sie dir zu verdanken.« Caesar lehnte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel. Er trug eine prächtig bestickte Tunika. »Diesmal war es ein Unfall.« Er wirkte nachdenklich. »Das nächste Mal, wer weiß?«
»Das nächste Mal?«
Caesar starrte Marcus einen Augenblick schweigend an. »Ich glaube, dass ich Rom zu lange ferngeblieben bin. Du scheinst noch nie von mir gehört zu haben, junger Mann?«
»Nein, mein Herr«, gestand Marcus. Dann kam ihm ein Gedanke und er verspürte plötzlich neue Hoffnung. »Kennt Ihr General Pompeius?«
»Wie könnte man Pompeius nicht kennen? Den größten Mann in Rom!«
»Ist er Euer Freund?«
»Pompeius der Große?« Caesar überlegte einen Augenblick und zuckte dann die Achseln. »Ich bezweifle, dass irgendein wahrhaft großer Mann je wahre Freunde hat. Feinde, das ja.«
Marcus spürte, wie die Hoffnung ihn verließ. »Dann seid Ihr sein Feind.«
»Nein. Ich strebe nur nicht danach, der Freund eines so großen Mannes zu sein. Noch nicht.« Caesar setzte sich wieder aufrecht hin, als säße er auf einem Thron. »Du hast mir einen großen Dienst erwiesen, Marcus. Und doch habe ich noch weitere Verwendung für dich. Obwohl du noch nie von mir gehört hast, besitze ich in Rom doch einigen Einfluss und werde schon bald viel mehr Macht haben. Das bedeutet natürlich, dass ich auch mehr Feinde haben werde – ich und meine Familie. Die Ereignisse des heutigen Tages haben mir geholfen, eine Entscheidung zu treffen. Ich brauche eine Leibwache für Portia. Jemanden, der zäh ist, der gut mit Waffen umgehen kann und der mutig ist – und unauffällig. Es geht nicht an, dass ich meinen Feinden zeige, dass ich sie fürchte. Niemand wird einem Jungen deines Alters viel Beachtung schenken. Deswegen habe ich beschlossen, dich zu Portias Leibwächter
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