Kampf um die Löwenburg
seinen Klassenkollegen hörte: Selbst die Mädchen, die doch mehr auf der romantischen Welle schwammen, würden kichern, wenn sie es hörten. In „Verstohlen geht der Mond auf “ hieß es: „… bis dass er schaut auf Löwenburg, blau, blau Blümelein …“
Das Licht des Nachmittags traf die blaue Anschlagtafel. Ein gelber, eingerissener Zettel hing dort. Er leuchtete in dem schräg fallenden Sonnenstrahl auf, die Zacken warfen Schatten auf den weiten, blauen Himmel – dieser wölbte sich über den goldenen Zacken und Zinnen der Burgmauer …
Das Gold und das Blau blendeten ihn. Florian blinzelte und sah sich um. Er saß auf einem steinigen Abhang, auf einer schrägen Felsplatte. Die Sonne ging soeben hinter einer sanften Hügellandschaft unter. Der Himmel war unendlich weit, seine leuchtenden Farben reichten von zartem Grün bis zu dunklem Blauviolett. Knapp unter ihm erkannte Florian die mit Stroh gedeckten Häuser eines Dorfes, die lange Schatten warfen. Weite Felder zogen sich hin bis zu einem dunklen, bedrohlichen Wald. Dahinter ragte eine schroffe Bergkette in den durchsichtigen Abendhimmel. Er drehte sich vorsichtig um und sah den Hang hinauf. Über ihm erstrahlten die Mauern einer gewaltigen Burg im letzten Licht der Sonne.
Jetzt wusste Florian, wo er war: in seinem Land, dem wunderbaren Elvenden! Er sah auf die wie Gold schimmernden Mauern seiner Burg – der Löwenburg! Zum ersten Mal war es ihm gelungen, vollkommen in seine Tagträume einzutauchen! Florian musste grinsen. Ha, jetzt hatte er den Bio-Katz ausgetrickst, in seine Träume konnte ihm der Lehrer nicht folgen. Florian sah an sich herab. Er trug seinen roten Kapuzenpulli, seine Beine aber steckten in Lederhosen, und an den Füßen trug er schwere Stiefel. „Löwenburg, ich komme!“
Rauer Empfang
„Du da, was hockst du hier rum? Red schon! Oder willst du aufgespießt werden?“ Ein dumpfer Schlag gegen die Rippen ließ Florian zurückfahren. Vor ihm stand plötzlich ein Mann in altertümlicher Lederkleidung, der ihn mit dem stumpfen Ende seiner Lanze anstieß.
Florian kletterte vom Felsen und näherte sich dem unfreundlichen Kerl mit dickem Gesicht, aus dem eine große, blaurote Knollennase ragte. Florian sah in die glitzernden Äuglein, die beinahe in Fettpolstern verschwanden, und sagte mit fester Stimme: „Ich will zum Burgherrn.“
Der Mann spuckte auf den Boden, grinste und zeigte seine braunen Zähne. „Aha, zum Burgherrn persönlich will er. Da fress mich doch gleich ein Knochentroll! Das junge Herrlein trägt die Nase ganz schön hoch. Na, zuerst werden wir den kleinen Gernegroß aber dem Herrn Verwalter, unserem Truchsess Nominus vorführen. Der wird entscheiden, was mit dir geschieht. Auf, Rotznase! Dein freches Gesicht kenne ich nicht, unten im Dorf habe ich dich noch nie gesehen. Bist wohl von auswärts, he? Ich hoffe für dich, dass du kein Spion bist, sonst machst du mit Kerkermeister Julo Bekanntschaft. Weißt du, wer das ist, Grünschnabel?“ Florian schüttelte den Kopf. „Na ich!“ Der grobe Kerl beugte sich vor, sodass Florian seinen fauligen Atem riechen musste: „Ich bin es. Das heißt, du hast schon mit mir Bekanntschaft gemacht. Da kann’s nicht viel schlimmer kommen!“ Julo lachte dröhnend und schlug Florian auf den Rücken. „Und jetzt vorwärts! Dalli, Freundchen!“ Der Kerkermeister stieß ihn auf den steinigen Weg hinauf in die Burg.
„Du kommst von auswärts, Junge?“ Nominus war ein großer, hagerer Mann mit bleichem Gesicht und schulterlangen dunklen Haaren. Er trug eine schwarze Robe. Der Verwalter saß an einem riesigen Tisch, der mit allerlei Schriften, Schreibfedern und Tintengläsern voll geräumt war. An den grauen Wänden der düsteren Kammer schimmerten matt die blanken Schädel riesiger Tiere. Sie grinsten Florian aus schwarzen Augenhöhlen an. Er erkannte nicht alle Totenköpfe, aber ein paar große Hunde, vielleicht Wölfe, und auch riesige Katzen mussten darunter sein. Das konnte man an den Gebissen sehen. An irgendetwas erinnerten sie ihn … Neben den Schädeln waren Schwerter, Messer und Speere angebracht. Im Kamin brannte ein kleines Feuer. Nominus ließ Florian Zeit, sich umzusehen, dann räusperte er sich. „Aus dem Dorf stammst du nicht, so viel steht fest. Ich kenne alle Dörfler vom Kind bis zum Greis, jedes einzelne Gesicht. Also nenn mir deinen Namen, und vor allem: Woher bist du gekommen? Aus dem Huldrewald? Oder bist du aus den westlichen Hügeln hierher gelaufen?
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