Kampf um die Löwenburg
Über das Ödland im Osten hättest du es wohl kaum geschafft.“
Florian überlegte fieberhaft. Was sollte er antworten? Das war doch nur ein Traum. Aber es fühlte sich alles so echt an, so wirklich. Trotzdem, er stand in seiner Traumburg, in der Löwenburg. Das hatte auch der Kerkermeister gesagt. Es musste stimmen. Er kam aus seinen Träumen.
Der Verwalter deutete sein Zögern falsch. „Willst du mir nicht antworten? Hast du vielleicht etwas zu verbergen?“, fragte er lauernd. Er beugte sich leicht vor, seine langen weißen Finger klopften ungeduldig auf die Tischplatte.
Florian entschloss sich blitzschnell für die Wahrheit. „Nein. Ich heiße Florian, und ich komme aus meinen Träumen, ganz ehrlich!“
„Was?“ Nominus zog eine Augenbraue hoch: „Du kommst aus … Mennendräumen? Noch nie davon gehört. Wo liegt dieses Mennendräumen?“
Florian wunderte sich. Der hatte „aus meinen Träumen“ wie „Mennendräumen“ verstanden. Vielleicht hörte der Verwalter nicht mehr so gut. Auch recht, dabei sollte es bleiben. Florian hatte nicht gelogen. Aus „Meinen Träumen“ stimmte.
Nominus’ Stimme klang jetzt gereizt. „Wo, Florian? Ich habe dich gefragt, wo liegt dieses Mennendräumen?“
„Dort, wo gerade die Sonne verschwunden ist. Hinter den Hügeln.“ Das war auch nicht gelogen. Florian kam aus dem Westen, so glaubte er wenigstens.
Nominus sah zum Fenster hinaus und lächelte plötzlich: „Mennendräumen. Ein schöner Name. Aus dem Westen bist du also, aus den Ländern des Sonnenuntergangs. Na, junger Mennendräumer, wenn das so ist: Willkommen auf der Löwenburg!“ Er drehte sich rasch um und stieß mit einem langen, schmalen Finger nach vorn. „Noch eines, Florian: Was hat dich hierher verschlagen, wenn ich fragen darf?“
Gefhrliche Wnsche
Florian sagte leise: „Ich will Elfen treffen.“
Der Verwalter riss die Augen auf. Sie waren dunkelviolett und schienen Funken zu sprühen. Florian zuckte unwillkürlich zurück, und Nominus lachte. „Ach ja, meine Augen. Davor brauchst du dich nicht zu fürchten. Aber“, sein Gesicht wurde wieder ernst, „vor den Elfen schon. Elfen zu sehen bringt Unglück. Ein Blick genügt … Dein Wunsch ist ziemlich gefährlich.“ Er lehnte sich zurück. „Ich will dir alles erzählen, was ich über Elfen weiß. Grauenvolle Dinge. Die Haare werden dir zu Berge stehen. Du wirst eine Gänsehaut kriegen und im Finstern nicht mehr schlafen können. Du wirst dich unter deine Decke verkriechen und wimmern, wenn du nur das Wort Elfe hörst!“ Nominus fletschte die Zähne. „Später zeige ich dir ein Buch über Elfen. Dann wirst du dir wünschen, es nie gesehen zu haben!“ Plötzlich entspannte sich sein Gesicht wieder, und er sagte mit milder Stimme: „Jetzt wollen wir erst einmal dafür sorgen, dass du dich bei uns wie zu Hause fühlst. Florian, du bist unser Gast. Julo!“ Nichts rührte sich. Nominus wiederholte in scharfem Ton: „Julo!“
Da rumpelte es draußen, und Julo steckte seinen hässlichen Kopf zur Tür herein. Er kaute noch und versuchte verzweifelt, etwas hinunterzuschlucken. „Ja, Herr?“, sprach der Kerkermeister.
„Was, du isst während der Dienstzeit? Einmal noch, und ich stopfe dir dein gefräßiges Maul mit Rattenkot voll, ist dir das klar?“ Julo nickte und senkte den Kopf. Vorher warf er Florian einen giftigen Blick zu.
„Ui, der wird sicher nicht mein Freund werden“, dachte der Junge.
„So, und jetzt ruf Kerfel und sag ihm, er soll unserem Gast eine Kammer richten, in der Nähe meiner Amtsstube.“
Florian folgte Kerfel, der mürrisch voranschlurfte. Schließlich wies er auf eine niedere Holztür. „Pass auf, dass dich nicht die Wanzen beißen. Davon gibt es hier genug. Der Abtritt ist draußen, gleich an der Mauer. Stürz aber nicht gleich in die Tiefe, wenn du dein Geschäft verrichtest.“ Der hagere Bursche grinste hässlich und verschwand.
Florian sah sich um. Die Kammer war klein und kalt. Es gab Bett, Tisch, Stuhl und Truhe, mehr nicht. Er ging zum Fenster und blickte auf das Dorf hinunter. Dahinter konnte er auch die Hügel sehen. Die dicke Burgmauer erlaubte ihm aber keine Aussicht auf die Wälder und Berge. Nachdenklich setzte er sich auf den Strohsack, der als Matratze diente. Plötzlich überfiel ihn Heimweh. Wenn das nur ein Traum war – wie sollte es weitergehen? Er zwickte sich in den Arm. Nichts. Der Traum war Wirklichkeit geworden. Wie sollte er je wieder nach Hause kommen? Mühsam riss Florian
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