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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Indianer seht, wenn wir schon hier draußen sind. Ihr solltet Indianer erkennen. Ihr lebt in Montana. Die gehören hier zur Landschaft.« Ich wollte das Thema Jahrmarkt sofort ansprechen, weil er in guter Stimmung war, aber er war zu sehr von den Indianern abgelenkt, und ich beschloss, die Gelegenheit verstreichen zu lassen und die Sache später zu besprechen.
    »Keiner hat beantwortet, warum sie hier draußen leben«, hakte Berner nach. Sie schwitzte und malte mit einem feuchten Finger ein Muster in den feinen Straßenstaub auf ihrem sommersprossigen Arm. »Das müssen sie doch nicht. Sie könnten in Great Falls wohnen. Wir leben in einem freien Land. Und nicht in Russland oder Frankreich.«
    Es war, als hätte unser Vater uns da schon nicht mehr beachtet. Wir fuhren noch anderthalb Kilometer die zerfurchte Straße entlang, bis wir nah genug an den Bear’s Paw Mountains waren, um die Baumlinie zu erkennen und verstreute grindige Schneeflecken, wo die Sonne den ganzen Sommer lang nicht hinkam. Wo wir waren, herrschte Hitze, aber wenn man dort oben hinginge, wäre es kalt. Und dann kam eine Stelle an der Straße, wo wir, während die trockene, öde Landschaft unverändert weiterging, zwischen zwei Zaunpfählen abbogen, wendeten und zurückfuhren, wie wir gekommen waren – an den baufälligen Häusern auf der Linken und den Indianern vorbei, zurück nach Box Elder und auf den Highway 87 nach Great Falls. Es fühlte sich an, als hätten wir durch unser Herkommen nichts erreicht, als gäbe es nichts, was unseren Vater interessierte oder besorgte oder was er unbedingt sehen musste – nichts, was mit dem Kauf oder Verkauf einer Ranch zusammenhing. Ich hatte keine Ahnung, warum wir diese Fahrt gemacht hatten. Und als wir nach Hause kamen, sprachen meine Schwester und ich auch nicht darüber.

7
    In der ersten Augustwoche hatten mein Vater und der Mann von der Great Northern – Digby – sowie die Komplizen meines Vaters von den Cree-Indianern drei Transaktionen mit gestohlenem Rindfleisch erfolgreich hinter sich gebracht. Kühe wurden gestohlen, geschlachtet und geliefert. Geld ging von Hand zu Hand. Die Indianer verschwanden wieder. Alle waren beruhigt. Mein Vater fand, dass sein verändertes System gut funktionierte. Von seinem Wesen her war es ihm unmöglich, nicht daran zu glauben, dass die Dinge, wenn sie gut und glatt verliefen, auch bis in alle Ewigkeit so anhalten würden. Ähnlich wie die Indianer, die sich auf den Staat verließen, hatte ihn die Air Force vor einem Leben geschützt, dem sich die meisten anderen Menschen stellen mussten. Und da er im Krieg alles fachmännisch erledigt hatte (das Norden-Zielfernrohr beherrscht, Bomben auf ihm unbekannte Menschen abgeworfen, lebend zurückgekehrt), empfand er es als gerechtfertigt, dass für ihn gesorgt wurde, und das förderte eine Neigung dazu, den Dingen – egal welchen – nicht allzu sehr auf den Grund zu gehen. Was bei seinem Rindfleisch-System bedeutete zu verdrängen, dass schon die Hehlerei mit gestohlenen Rinderhälften mit dem Stützpunkt unterm Strich nicht sehr gut geklappt hatte. Sondern ihm vielmehr den Verlust seiner Captainsstreifen eingebracht und ihn ins Zivilistenleben zurückkatapultiert hatte, lange bevor er dafür bereit war – falls er nach so langer Dienstzeit überhaupt je dazu bereit gewesen wäre.
    Möglicherweise fühlte er sich auch ständig von unserer Mutter mit ihrer eifrigen, wachsamen Art beobachtet, so als wolle sie einschätzen, ob irgendein neuerliches Scheitern ihr den Grund dafür lieferte, ihn zu verlassen. Trotz seines anscheinenden Erfolgs, seines optimistischen Wesens und seines Neuanfangs in der zivilen Welt nahmen die persönlichen Unsicherheiten unserer Mutter zu, dagegen schwand sein Selbstvertrauen in das »Näschen«, auf das sich unser Vater bei allem, was er tat, verließ. Er wollte doch nur, dass das Leben auf seinem stetigen Kurs blieb, bis die Schule wieder anfing und unsere Mutter zum Unterrichten zurückkehren konnte, was ihm den Freiraum lassen würde, das Farm-und-Ranch-Business zu lernen und seine Geschäfte mit Digby und den Indianern fortzusetzen – alles zu unserem Besten.
    Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich das Leben für mich immer noch völlig normal an. Ich weiß noch, dass mein Vater Anfang August unbedingt mit der ganzen Familie ins Liberty gehen wollte, damit wir Der schweizerische Robinson in der Samstagsmatinee sehen konnten. Mein Vater und ich waren begeistert davon. Aber meine Mutter

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