Kanadische Traeume
eingeladen. Ich glaube, er findet dich interessant. Ist das nicht aufregend?”
“Nein!” sagte Charity und erschauerte leicht.
“Ich finde ihn phantastisch.”
“Er sieht gut aus”, gab Charity hölzern zu.
“Sinnlich, schön, erfahren”, ergänzte Mandy träumerisch.
“Und mysteriös, nicht gerade sehr offen, findest du nicht auch?”
Er hatte zugegeben, daß ihm der Mercedes gehörte, aber sonst nichts über sich verlauten lassen. Wie eine Katze, die der Maus ein Stückchen Käse hinhält, um zu sehen, wie sie reagiert.
Leider hatte er dabei den großen Fehler gemacht, ein wenig zuviel Kralle zu zeigen.
Trotzig nahm sich Charity vor, nicht mehr an ihn zu denken.
Der Gang durch das Hotel würde ihr hoffentlich Matthew Blakes spöttische dunkelblaue Augen aus dem Sinn vertreiben.
Es war ein herrliches altes Gebäude. Der Haupteingang führte in eine kleine Halle und zum Empfang. Rechts ging eine Treppe zu den sechzehn Gästezimmern hinauf. Hinter einer gläsernen Flügeltür lag das Speisezimmer, das früher Aufenthaltsraum gewesen war und noch viele Merkmale davon bewahrte. Ein übervoller Bücherschrank nahm eine ganze Wand ein. Alte Flinten, Schier und Schneeschuhe hingen von den Balken. Die Tische waren mit feinstem Porzellan und altem Silber auf weißem Leinen gedeckt und bildeten einen reizvollen Kontrast.
Zu beiden Seiten eines riesigen steinernen Kamins waren weitere Glastüren. Über jeder hing ein in Holz gebranntes Schild mit dem Namen Susweca Lounge.
Charity lächelte entzückt, als sie durch die Tür zu ihrem neuen Arbeitsplatz schritt. Die Susweca Lounge bestand aus ungefähr dreißig kleinen runden Tischen auf einer riesigen überdachten Veranda, die auf Stelzen über das Wasser gebaut war. Der großartige Blick und die seefrische Luft machten eine wundervolle Atmosphäre.
“Wie schön!” sagte Charity.
“Abends ist es noch schöner”, versicherte ihr Mandy, “wenn die Gaslichter brennen und die Sterne sich im See spiegeln.”
Sie gingen durchs Speisezimmer und die Eingangshalle zurück zu einem kleinen Büro, wo Mrs. Forster, die sehr viel älter war, als Charity es sich vorgestellt hatte, sie erwartete.
“Ich habe meine Brille verlegt”, wurden sie von Mrs. Forster begrüßt. “Mandy, sehen Sie sie irgendwo?”
“Sie hängt an der Kette um Ihren Hals”, sagte Mandy liebevoll. “Mrs. Forster, das ist meine Cousine Char. Erinnern Sie sich? Ich habe von ihr gesprochen.”
“Haben Sie?” fragte Mrs. Forster.
“Ja. Sie arbeitet diesen Sommer als Bedienung draußen auf der Susweca.”
“Ah, die Susweca. Es bedeutet Libelle in Sioux, wissen Sie das? Habe ich Ihnen erzählt, daß ich da meinen Paul kennengelernt habe? Es war eine einmalige Nacht. Ich war sechzehn und hatte mein hübschestes Kleid an. Alle Sterne schienen in jener Nacht. Wunderschön. Es war wunderschön.
Haben Sie meine Brille gesehen?”
Mandy beugte sich vor und setzte ihrer Chefin vorsichtig die Brille auf die Nase.
“Können Sie mir etwas über Matthew Blake sagen?” fragte Mandy.
Charity traute ihren Ohren nicht. Sie hatte ihn sich endlich aus dem Kopf geschlagen, und jetzt das! Mandy war unverbesserlich.
“Matthew”, murmelte
Mrs.
Forster geistesabwesend.
“Matthew.” Ihr Gesicht leuchtete auf. “O ja, Matthew ist so ein dickköpfiger Junge. Da ist er.” Sie zeigte in die Richtung des Kamins, wo viele sehr alte eingerahmte Fotografien standen.
Die beiden hörten der alten Frau noch eine Weile zu, dann gingen sie.
“Ist sie schon lange so?” fragte Charity.
“Jedes Jahr wird es ein wenig schlimmer. Du hättest erleben sollen, wie sie auf Draht war, als ich hier anfing.”
“Wie kann sie dann das Hotel führen?” wunderte sich Charity.
“Wir helfen alle mit. Manche der Angestellten sind schon zwanzig Jahre hier. Wir wissen ungefähr, was zu machen ist, und tun unser Bestes. Weißt du, in all den Jahren ist es noch nie vorgekommen, daß von dem Personal etwas gestohlen wurde.
Das ist sonst in den Kurhotels ein großes Problem. Da verschwindet alles, von der Bettwäsche bis zu den Koteletts.
Aber hier ist es anders. Wir sind fast wie eine Familie. Und sehr loyal.”
“Mrs. Forster sollte einen Arzt konsultieren”, meinte Charity.
“Das haben wir auch schon gedacht, aber wir wollten sie nicht drängen. Keiner weiß etwas von ihrer Familie. Die scheint schrecklich uninteressiert zu sein an allem hier. Wir beschützen unsere Chefin, so gut wir können. Es wäre
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