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Kanadische Traeume

Kanadische Traeume

Titel: Kanadische Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Quinn Wilder
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wußte, was Anpetuwi bedeutete, und sie nur gefragt hatte, um sie in Verlegenheit zu bringen. Nun, jemand, dem die menschliche Anatomie so bekannt war wie ihr, war nicht so leicht aus der Fassung zu bringen.
    “Und was bedeutet Susweca?” fragte sie noch, um zu prüfen, ob Mandy sie nicht auf den Arm nahm. Mandy hatte sicher vergessen, daß Mrs. Forster es erklärt hatte.
    “Libelle”, sagte Mandy.
    “Gut.” Als Charity das nächste Mal an Matthew Blakes Tisch vorbeikam, blieb sie stehen. “Das Hotel ist anscheinend nach dem Felsen dort draußen benannt”, informierte sie ihn desinteressiert. “Anpetuwi bedeutet ,Frau, die nackt auf dem Felsen liegt’.”
    “Tatsächlich?” fragte er, die Augenbrauen hochgezogen.
    Seine tiefblauen Augen schienen jedoch etwas ganz anderes zu fragen.
    Charity schluckte. “Ja, und Susweca bedeutet ,Libelle’. Letzte Chance zu bestellen. Möchten Sie noch etwas?”
    “Das kommt darauf an, was Sie anbieten.” Seine Stimme war weich wie Samt. Aber als er die Verwirrung in ihren Augen wahrnahm, schaute er zu Mandys Tisch hinüber. Sie wurden beobachtet. Jeder am Tisch krümmte sich vor Lachen. Matthew Blake blickte noch einmal in Charitys Augen, nickte ihr zu, erhob sich und ging.
    Charity sah ihm atemlos nach. Dieser Mann hatte eine ganz schöne Wirkung. Sie würde es sich einfach nicht erlauben, an ihn zu denken. Disziplin hatte sie ja mehr als genug. Inzwischen war ihr klargeworden, daß man sie verulkt hatte.
    Er hatte es zuerst bemerkt, und der kurze Blick voll Sympathie aus seinen blauen Augen machte ihr viel mehr zu schaffen als sein harter kalter Ausdruck. Sie hoffte von ganzem Herzen, Matthew Blake würde nicht jeden Abend zum Trinken hierherkommen.
    Später wischte sie den letzten Tisch ab und stellte die restlichen Gläser in die Spülmaschine.
    Der Barmixer sah sie mitleidig an. “Wie geht’s?”
    Charity war den Tränen nahe. Anstatt ein Vermögen an Trinkgeld verdient zu haben, fehlten ihr zehn Dollar. Sie mußte beim Herausgeben einen riesigen Fehler gemacht haben. “Es geht”, murmelte sie.
    “In zwei Wochen wird Ihnen alles schrecklich einfach vorkommen.”
    Das wird es nie, wollte Charity stöhnen, lächelte ihn aber statt dessen an. Der Ärmste hatte auch den ganzen Abend unter ihrer Unerfahrenheit gelitten. “Vielen Dank für Ihre Hilfe”, sagte sie.
    “Dazu sind wir da, um einander zu helfen.”
    Charity war tief berührt. Sie hatte einen so humanitären Gedanken in dieser Umgebung und von einer so schlichten Quelle nicht erwartet. Edelmut war überall zu finden, und sie war wieder ein bißchen optimistischer, was ihre Zukunft als Kellnerin anging.
    Der Platz vor dem Hotel lag dunkel und verlassen da. Die Gäste waren längst gegangen. Charity fühlte sich erschöpft und gleichzeitig erregt. Sie kannte das Gefühl gut von den langen Schichten auf der Notfallstation.
    Rauchgeruch haftete ihrer Kleidung an, ihrer Haut, ihrem Haar. Sie fühlte sich schmutzig. Gedankenverloren schlenderte sie zum See hinunter. Die Nacht war schön und still, der Himmel
    sternenübersät.
    Charity kletterte über einige
    Felsbrocken, setzte sich ans Wasser und hielt die müden wunden Füße in das kühle Naß.
    Nach einer Weile schaute sie sich um. Alles war dunkel und ruhig. Es war, als wäre sie der einzige wache Mensch auf der Welt. Die Felsen schirmten sie vom Hotel und den Personalhütten ab.
    Charity hatte plötzlich das Bedürfnis, sauber zu sein, die kühle Frische des Wassers auf der heißen Haut und in ihrem Haar zu spüren. Sie zog ihr Kleid aus, zögerte einen Augenblick und legte dann auch ihre Unterwäsche ab. So stand sie da und spürte die frische Nachtluft auf der nackten Haut.
    Mit einem Seufzer tauchte sie ins Wasser und empfand plötzlich einen ungeahnten Seelenfrieden.
    Der wurde jäh von einer spöttischen Männerstimme gestört.
    “Also Sie sind die Frau, die nackt auf dem Felsen liegt!”

3. KAPITEL
    Das Wasser, vor wenigen Minuten so herrlich erfrischend, kam Charity jetzt wie eine Zwangsjacke vor, die sich wie Eis um ihre starren Glieder legte. Sie bibberte plötzlich am ganzen Körper, starrte Matthew an und brachte endlich schockiert zwei Worte über ihre blau werdenden Lippen. “Mr. Blake …”
    “Finden Sie das nicht schrecklich formell unter diesen Umständen?”
    “Mr. Blake”, setzte Charity verzweifelt und mit zitternder Stimme noch einmal an.
    “Matthew”, forderte er sie ruhig auf.
    “Matthew”, gab Charity wütend nach.

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