Kanal-Zombies
still. Er sprach. Alwin hörte genau die flüsternden Worte, die er in den Kanal hineinsprach, denn dort standen noch immer die drei schrecklichen Verfolger und trafen keine Anstalten, sich ebenfalls in die Felslücke hineinzudrücken.
Alwin begriff das nicht. Seltsamerweise war er nicht erleichtert, denn dieses Reden mit den Unheimlichen ließ die Furcht in ihm hochsteigen. Waren sie vom Regen in die Traufe gekommen? Stand der Alte mit dem faltigen Gesicht vielleicht auf der Gegenseite?
Er konnte sich selbst keine Antwort geben und traute sich auch nicht, den seltsamen Mann zu fragen. Doch die Neugierde war stärker als die Furcht, und so schob er sich so leise wie möglich an den Rücken des Mannes heran.
Jetzt hörte er ihn besser. Die Worte waren trotzdem nicht deutlich zu verstehen, denn sie bestanden für ihn aus einem unverständlichen Gemurmel.
Ihm gelang der Blick über die knochige Schulter des Mannes. Sie standen noch im Gang, aber sie wurden von keinem Licht getroffen, so waren sie für Alwin nichts anderes als Schatten, die irgendwie eingefroren wirkten.
Als der Alte verstummte und einen Schritt nach hinten trat, ging auch Alwin zurück. Der Mann redete jetzt nicht mehr, aber er drehte sich um, und Alwin fühlte sich wie ein ertappter Sünder. Er hielt die Lampe noch immer fest. Jetzt hob er den Arm an. Für einen Moment streifte das Licht das Gesicht des Mannes. Diesmal sah Alwin, dass die Haut tatsächlich nur mehr aus Runzeln und Falten bestand. Der Fremde musste uralt sein.
»Weg mit dem Licht!«
Alwin senkte sofort seine Hand. Aber die Frage musste einfach heraus. »Wer bist du?«
»Ich heiße Mongush.«
Alwin schüttelte den Kopf. Den Namen hatte er nie zuvor gehört. Er gab zu, dass er fremd klang, und irgendwie fremd war auch das Aussehen des Alten, der auf keinen Fall aus dem europäischen Teil Russlands stammte, sondern aus einer Gegend kam, die zu den Weiten Sibiriens zählte.
»Deinen Namen kenne ich nicht.«
»Ich weiß. Mich kennen viele Menschen nicht, aber ich kenne die Menschen, die Geister und die Toten...«
Die Worte hatten bei Alwin einen Schauer hinterlassen.
»Die... die Toten?«, wiederholte er.
»Ja.«
»Warum?«
»Ich bin ein Schamane.«
Mit dieser Antwort konnte Alwin ebenfalls nicht viel anfangen. Der Begriff war ihm nicht fremd. Er verband ihn zumeist mit fremden Ländern, mit Medizinmännern und Zauberern. Dabei dachte er an das tiefste Afrika oder auch an den Zauber Süd- und Mittelamerikas.
Doch hier...?
»Aber du bist doch ein Mensch, nicht?«
»Das bin ich. Man muss schon lange lernen und üben, um den Kontakt herzustellen. Ich habe es geschafft. Und ich rede mit den Geistern und den Toten ebenso wie mit den Menschen.«
Alwin Lauskas zog die Nase hoch. »Mit... mit... wem hast du denn vorhin gesprochen?«
»Mit den Toten, die nicht tot sind. Mit den lebenden Toten. Mit den Zombies, die hier ihre Heimat haben und sich ihre menschlichen Opfer suchen.«
»Nein...«
»Doch!«
»Nein, nein!« Alwin Lauskas sprach jetzt lauter und schüttelte nur den Kopf. »Das glaube ich nicht. Das... das... kann nicht wahr sein. Bitte nicht. Man kann nicht mit den Toten sprechen. Und was einmal tot ist, das bleibt auch tot, verflucht.«
»Es gibt Ausnahmen. Ich habe sie stoppen können, aber sie wollen nicht aufgeben.«
Alwin schrak zusammen. Er wollte es nicht wahrhaben, trotzdem drängte sich die Frage auf: »Wollen sie Ludmilla und mich auch jetzt noch vernichten?«
»Ja, das haben sie vor!«
Alwin war geschockt. Er rang nach Luft. Er schaute sich um und sah seine Freundin, die am Boden saß und zu ihm hinschaute. Er entdeckte sogar das Vertrauen in ihren Augen.
»Und du?«, flüstert er schließlich.
Der alte Mann hob seine knochigen Schultern an. »Ich werde es wohl nicht verhindern können.«
»Nein. Nein!« Lauskas schlug die Hände vors Gesicht und drehte sich weg. Er taumelte auf seine Freundin zu und zerrte sie an der Schulter hoch. Er fing sie ab, drückte sie an sich und flüsterte in ihr Ohr. »Weg, wir müssen wieder weg! Ich weiß, was mit deinem Knöchel ist, aber die Monster dort wollen uns vernichten. Komm, wir fliehen.«
Er ließ Ludmilla gar nicht dazu kommen, ihm zu antworten. Er fasste sie unter und lief mit ihr vor. Sie konnte nur humpeln, aber Alwin gab nicht auf, auch wenn der Weg wegen seiner Steigung jetzt beschwerlicher wurde und sich manchmal richtige Felskuppen durch Lehm und Gestein drückten.
Ludmilla hielt sich tapfer. Sie
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