Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
Matratze und Laken hatte offenbar jemand herumgetanzt oder getrampelt. Jede Menge Flecken, die wie Kotspritzer aussahen, bedeckten die weiß gekalkten Wände.
Sie trat ans Fenster und sah nun, warum es so unangenehm roch. Die Würstchengläser waren vom Tisch gefallen und auf dem Boden in tausend Scherben zersprungen. Das Wurstwasser hatte sich verteilt und war in die Ritzen zwischen den Holzdielen gesickert. Von den Würstchen war nichts mehr zu sehen. Ein plötzliches, bislang nicht gekanntes Gefühl von Ekel stieg in ihr auf.
Was war das für ein Tier gewesen, dachte sie, eine Ratte oder vielleicht ein Marder?
In der Hoffnung, Lena von Dünen im Verwalterhaus anzutreffen, lief sie durch den Buchsbaumgarten. In der Küche saß Peter von Dünen am großen Holztisch und aß Makkaroni aus der Bratpfanne. Das Bierglas auf dem Tisch schwitzte. Er nickte ihr zu, aß aber in Ruhe weiter.
»In meinem Zimmer sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen«, begann Island. »Könnten Sie mal mitkommen und sich das ansehen?«
»Fragen Sie meine Frau. Die ist im Garten.«
Island ging in den Wintergarten auf der Rückseite des Hauses. Von dort führte eine Tür in den Garten. Sie sah sich um, konnte Frau von Dünen draußen aber nicht entdecken. Sie rief ihren Namen, erhielt aber keine Antwort.
»Ich kann sie nicht finden«, sagte Island, als sie wieder in der Küche stand. »Bringt sie vielleicht die Kinder ins Bett?«
»Kann sein.«
»Dann muss ich Sie leider bitten, sich der Sache anzunehmen.«
»Jetzt?«
Missmutig stellte von Dünen sein Bierglas auf den Tisch und folgte ihr.
»Die Krähen«, sagte er wenig später, als sie nebeneinander in dem verwüsteten Zimmer standen und er eine schwarze Feder von dem Polster des Sessels fischte. »Die Vögel sind durchs Fenster rein. Man sollte es eben nicht den ganzen Tag offen lassen.«
»Haben sie etwa Rache genommen für die Zerstörung der Nester?«, fragte Island.
Von Dünen begann sehr laut zu lachen. Dabei entblößte er kräftige Zähne, die nicht annähernd so gepflegt waren wie die seiner Frau. »Die haben wohl eher auch mal Lust auf Würstchen gekriegt. Kocht meine Frau Ihnen nicht genug?«
»Doch schon. Aber was jetzt?«
»Sie werden hier nicht übernachten wollen, was?«
»Ehrlich gesagt nein. Muss ich abreisen?«
Er sah sie an, als wollte er irgendetwas in ihr ergründen. »Kommen Sie mal mit runter«, sagte er leise. »Meine Frau wird schon eine Lösung finden.«
Frau von Dünen war inzwischen in der Küche mit dem Abwasch beschäftigt. Als sie von dem Malheur hörte, versprach sie, Island für die folgende Nacht im Gutshaus unterzubringen.
»Sie haben bei Herrn Tüx ja auch noch etwas gut«, sagte sie, während sie sich die Hände abtrocknete.
Zwei Stunden später, es war kurz vor zehn, stand Island auf dem Gang vor ihrem neuen Zimmer im Gutshaus und blickte durch das Fenster zum Verwalterhaus hinüber. Sie konnte sehen, dass in ihrem alten Zimmer Licht war. Das Fenster von Lotti Dormann in der Dachgaube nebenan lag im Dunkeln.
Lena von Dünen war in ihr Büro gegangen und hatte einen einzigen Anruf getätigt. Woher wusste sie eigentlich, dass sie Theodor Tüx schon einmal begegnet war? Hatte Frau Dormann ihr von dem Missgeschick mit dem scheuenden Pferd berichtet? Oder gab es etwa an der Schleuse auch eine Kameraüberwachung?
Lena von Dünen war jedenfalls mit der Nachricht aus dem Büro zurückgekehrt, dass Island erst mal im Gutshaus unterkommen könne, wenn sie wolle. Sie müsse aber dafür den längeren Weg zu den Mahlzeiten im Verwalterhaus in Kauf nehmen. Sie hatte zugestimmt, ihre Sachen gepackt und war mit ihrem Wagen zum Gutshaus hinübergefahren. Dort hatte sie ihren Mazda zwischen den Nobelkarossen eingereiht. Eine kleine, nicht mehr junge Frau in Hostessenuniform, die sich nuschelnd, aber mit unverkennbar österreichischem Akzent als Frau Markowich vorgestellt hatte, hatte ihr das Gepäck abgenommen und sie in den zweiten Stock geführt. Am Ende eines langen Ganges hatte sie eine Tür aufgeschlossen und Island eine gute Nacht gewünscht.
Island löste sich vom Fenster im Gang und betrat ihr neues Zuhause. Die beiden Flügelfenster lagen zur Rückseite des Hauses, zum Landschaftsgarten hin. Von hier oben sah man den weitläufigen, gepflegten Rasen und hinter einem lichten Wäldchen sogar das Wasser des Achterwehrer Schifffahrtskanals durch die Baumstämme schimmern.
Das Zimmer war groß, angenehm kühl und mit hellen Möbeln
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