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Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Titel: Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstin Warschau
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nicht, und sie glitt langsam aus der schilfbestandenen Bucht auf den See hinaus. Schon konnte sie die andere Uferseite sehen, einen flachen, baumbewachsenen Hang und daneben die inoffizielle Badewiese, wo Theissen im Gras gelegen haben sollte. Hell schimmerte der Sand der kleinen Bucht, Lachen und Stimmfetzen schallten herüber.
    Island drehte sich in Rückenlage und sah zum Steg zurück. Etwa fünfzig Meter davon entfernt entdeckte sie ein Boot, das halb im Schilf verborgen war. Neugierig schwamm sie darauf zu. Kreihorst I stand auf dem hellbraunen Lack des Rumpfes. War das etwa das Ruderboot, das Frau Dormann im Bootshaus vermisst hatte? Island bemühte sich, den messerscharfen Schilfblättern auszuweichen, und näherte sich der Bordwand. Das Boot war leer, nicht einmal ein Ruderblatt lag darin. Ein kurzes Seil war am Bug befestigt und hing ins Wasser, das Boot selbst war unvertäut.
    Während sie zum Steg zurückschwamm, entdeckte sie die Kamera, groß wie ein Schuhkarton und auf einen grau verwitterten Holzpfahl montiert. Das Objektiv war auf den Steg und den umgebenden Schilfgürtel gerichtet. Island war erleichtert, nicht nackt ins Wasser gesprungen zu sein. Als sie den nassen Badeanzug auszog, benutzte sie leicht verschämt ihr Handtuch als Sichtschutz. Die feuchten Badesachen unter dem Arm, lief sie über die Holzbohlen zur Allee zurück. Auf der Haut ein Gefühl von Sommer und Sonne, aber mit der Gewissheit, dass sie dem idyllischen Frieden, der sie umgab, nicht trauen konnte.
    Das Torhaus lag in der Abendsonne. Island trat an eines der weiß gestrichenen Fenster und versuchte hineinzusehen, doch sie waren von innen mit dunklem Stoff verhängt. In der Durchfahrt sah sie sich nach weiteren Kameras um. Wollte man zum Herrenhaus, musste man hier hindurch, es sei denn, man ging zum Verwalterhaus und von da aus durch den englischen Landschaftsgarten. Deshalb war sie davon überzeugt, dass auch in der Einfahrt Überwachungskameras angebracht waren. Aber sosehr sie auch die Mauern, das Gewölbe der Decke und selbst die Türen mit den Augen absuchte, sie konnte keine entdecken.
    Die Uhr im Turm auf der Hofseite schlug acht Mal. Island drückte gegen eine der Holztüren, die rechts und links abgingen. Sie war fest verschlossen. Sie versuchte es bei der nächsten, doch erst bei der dritten Tür hatte sie Glück. Die Scharniere quietschten leise, als sie die Tür aufdrückte und hineinschlüpfte. Der staubige Geruch von uralten Holzbalken stieg ihr in die Nase, zusammen mit dem Geruch von geöltem Metall. Es herrschte Dämmerlicht in der großen Halle. Ihr Blick glitt hinauf bis unter den Dachfirst, wo die Balken freilagen. Durch ein Eulenloch im Giebel fiel ein Streifen Licht. Feiner Staub tanzte darin.
    Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das fahle Licht. Sie pfiff leise durch die Zähne. Der riesige Raum war alles andere als leer. Als Erstes sah sie die Traktoren, die ordentlich in Reih und Glied nebeneinanderstanden. Während sie an den Maschinen entlangging, fielen ihr die kreisrunden Schilder mit den goldenen Buchstaben in einer Girlande auf: Lanz Bulldog. Etwa vierzig Traktoren standen da, in allen möglichen Ausführungen, Farbanstrichen und Jahrgängen. Es gab sie in Blau, Froschgrün, Türkis und Grau. Sie waren in einem unglaublich gepflegten Zustand, und es waren unglaublich viele. Als sie das Ende der Traktorenreihe erreicht hatte, stellte sie fest, dass dahinter weitere Maschinen standen. Sie schienen älter zu sein, vermutlich handelte es sich um Dampfmaschinen, alte Generatoren und uralte Lokomobile.
    Sie schlüpfte zurück in die Toreinfahrt. Konnte es sein, dass auch die andere Seite des Torhauses mit solchen Sammelstücken vollgestellt war? Waren etwa alle Scheunen so bis an den Rand voll mit Geräten und Maschinen?
    Die Badesachen waren fast getrocknet, als sie zu ihrer Unterkunft zurückkehrte. Unterwegs traf sie niemanden, trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass kein einziger ihrer Schritte unbeobachtet blieb.

31
    A ls sie die Zimmertür öffnete und einen Widerstand spürte, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Vorsichtig spähte sie hinein. Der Geruch drinnen war säuerlich und streng. Zuerst bemerkte sie nur das Kopfkissen, das am Boden hinter der Tür lag. Es war der Länge nach aufgeschlitzt. Die Federn waren herausgeflockt und bewegten sich in wabernden Häufchen über den Dielenboden. Die Bettdecke war halb vom Bett gerutscht. Der Bezug war aufgerissen und verschmutzt. Auf

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