Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
nicht sagen.«
»Er soll oft im Gutshaus drüben gewesen sein.«
»Ich meine, er hat sich um das Archiv gekümmert, weil er irgendwas erforschen wollte.«
»Und er ist oft ausgeritten?« Franzen ließ nicht locker.
»Ja, schon.«
»Allein?«
»Mal mit den Stallmädchen und auch mal mit Frau Rubi-Tüx.«
»Mit der Gutsherrin persönlich? Kommt es oft vor, dass die Dame mit einfachen Feriengästen unterwegs ist?«
»Seit ich hier bin, nur mit dem Theissen. Sonst müssten Sie meinen Vorgänger, Herrn Lembke, fragen.«
Franzen schrieb sich etwas in ihr Notizbuch.
»Und der junge Mann, der bis eben die Rosen geschnitten hat, wer ist das?«
»Cord Petersen.«
»Ihr Stallknecht?«
»Das haben Sie gesagt.«
»Also?«
»Hilfsarbeiter. Er macht alles, was man ihm aufträgt.«
»Und wo ist er jetzt?«
»Cord!«, rief von Dünen durch den Garten. »Die Polizei will dich sprechen.«
Aber Petersen hatte sich schon längst aus dem Rosenbeet verdrückt.
30
Z um Abendbrot gab es Makkaroni mit Tomatensoße. Frau von Dünen sah verweint aus, als sie das Essen auftrug. Lotti Dormann, ebenfalls mit leicht gerötetem Gesicht, klagte über Sonnenbrand. Sie zog den Kragen ihrer Bluse zur Seite und präsentierte ihre verbrannten Oberarme.
»Ich glaube, ich habe einen Sonnenstich, und bräuchte dringend etwas Buttermilch zum Kühlen«, sagte sie. »Aber in den Supermarkt fahr ich heute nicht mehr.«
»Buttermilch habe ich leider keine«, bedauerte Frau von Dünen. »Ich könnte Ihnen aber eine homöopathische Kräutersalbe geben.«
»Besser als nichts.«
Die Hubers waren immer noch sehr aufgeregt und schenkten den Malaisen ihrer Tischnachbarin keinerlei Aufmerksamkeit.
»Oje«, stöhnte Frau Huber, während sie in ihren Nudeln rührte. »Dass es so enden musste mit dem lieben Jon. Was ist ihm bloß zugestoßen?«
»Warum hat man uns eigentlich noch nicht befragt?«, empörte sich ihr Mann. »Wir sind doch schon lange wieder da.«
»Du musstest ja heute unbedingt schon wieder eine Radtour machen.«
»Das Wetter soll man ausnutzen. Ich konnte ja nicht wissen, dass so etwas passiert.«
»Was hätten Sie denn der Polizei zu erzählen gehabt?«, fragte Frau Dormann und schob den Teller von sich.
»Nichts«, sagte Frau Huber.
»Das kann die Polizei aber doch nicht wissen«, meinte Herr Huber. »Und die Sorgfaltspflicht gebietet, dass man mit allen spricht. Vielleicht habe ich ja doch was beobachtet, was wichtig sein könnte.«
»Was denn?«, fragte Island, erhielt aber keine Antwort.
»Die kommen bestimmt noch mal wieder«, tröstete Frau Dormann.
»Wer weiß, der Mörder schleicht hier vielleicht noch herum«, meinte Herr Huber mit drohendem Unterton.
»Unsinn«, sagte seine Frau.
»Was macht dich da so sicher?« Hermann Huber nahm sich noch Parmesan nach.
Das Ehepaar Huber begann eine ausführliche Diskussion, auf welche Weise Theissen zu Tode gekommen sei, wobei sich Herr Huber in derart wilde Spekulationen begab, dass Island zunehmend den Eindruck gewann, dass die beiden gar nichts über das Ableben des Mannes wussten.
Je länger das eheliche Streitgespräch dauerte, desto erschöpfter wirkte Lotti Dormann. Offenbar hatte sie wirklich zu viel Sonne abbekommen. Diesmal stand sie als Erste auf und sagte, sie werde sich, statt wie sonst mit Fritzi Gassi zu gehen, auf ihr Zimmer zurückziehen.
Island verließ den Speiseraum zusammen mit Rita und Hermann Huber, die sich inzwischen wieder etwas beruhigt hatten. Draußen war es immer noch so warm, dass sie beschloss, noch schwimmen zu gehen. Lotti Dormann hatte ihr von der gutseigenen Badestelle erzählt, die man von der Allee aus erreichen konnte. Deshalb ging Island in ihr Zimmer, um sich Badeanzug und Handtuch zu holen. Sie spazierte an den Scheunen und am Torhaus vorbei zur Allee und fand bald rechter Hand den beschriebenen Pfad, der über Holzbohlen durch den Schilfgürtel verlief. Er endete an einem Badesteg, der weit in den See hinausragte. Ein leichter Wind bewegte die Schilfhalme und ließ sie leise knistern. Weit und breit war niemand zu sehen.
Als Island die verschwitzten Thrombosestrümpfe abgestreift hatte, überlegte sie einen kurzen, verwegenen Moment lang, ob sie nicht einfach nackt ins Wasser springen sollte. Aber dann zwängte sie doch wieder ihren Bauch in den Badeanzug und kletterte die schmale, von der Sonne erwärmte Metallleiter hinunter.
Das Wasser fühlte sich weich wie Seide an. Der Bauch behinderte sie beim Schwimmen überhaupt
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