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Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Titel: Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstin Warschau
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zunächst nicht identifizieren. Sie erkannte nur einen Jungen mit mittellangen Haaren und ein Mädchen in kurzem Rock. Dünn und ungelenk wirkten ihre Körper im Gegenlicht. Sie trugen Jagdgewehre, die sie auf Henna Franzen und Olga Island gerichtet hielten.
    »Was soll das?«, rief Island, nach oben gewandt.
    Keine Antwort.
    »Bitte«, sagte Island eindringlich. »Diese Frau braucht einen Arzt!«
    Immer noch kein Wort von oben.
    Sie beugte sich entschlossen über Henna und packte sie unter den Achseln.
    »Meinst du, du schaffst es bis ins Rohr?«, fragte sie leise in ihr Ohr.
    »Halt«, kam es von oben in scharfem Ton. »Nicht bewegen.«
    »Warum nicht?«
    Sie erkannte seine Stimme. Aber sie hatte sie noch nie so entschlossen gehört.
    »Wir stellen hier die Fragen«, rief Paul-Walter Tüx.
    »Ist euch nicht aufgefallen, wie beschissen es ihr geht? Sie ist zuckerkrank und wird bald ins Koma fallen, wenn ihr niemand hilft.«
    Wieder Schweigen am Beckenrand.
    »Sie braucht ihr Insulin, sonst wird sie sterben!«
    »Ist es etwa unsere Schuld, dass sie hier aufgekreuzt ist?« Das Mädchen konnte anscheinend auch sprechen. Island hatte sie bisher immer nur zusammen mit den anderen gesehen, auf der Terrasse des Herrenhauses. War das nun Grit oder Marthe?
    »Sie hat das bescheuerte Pferd draußen ans Tor gebunden und herumspioniert.«
    »Das konnten wir nicht zulassen«, ergänzte Paul-Walter.
    »Warum?«
    »Schlechter Zeitpunkt.«
    »Für wen?«
    »Wir sind mittendrin.«
    »Mittendrin in was?« Island spürte, dass ihr langsam der Geduldsfaden riss.
    »In unserer Expedition.«
    »Eure was?«
    Am liebsten hätte sie gelacht, aus Anspannung und Hysterie und weil sich das alles so verrückt anhörte. Aber sie fürchtete, dass ihr gleich eine Ladung Schrot um die Ohren fliegen würde. Deshalb biss sie sich auf die Lippen.
    »Es wäre cool, wenn ihr mir endlich erzählen könntet, worum es eigentlich geht. Ich habe schon so eine vage Ahnung. Hat es was mit dem U-Boot zu tun, das ihr …?«
    Paul-Walter ließ sie nicht ausreden. »Ja! Wir tauchen in der Ostsee und holen das Zeug hoch.«
    »Was holt ihr hoch? Etwa das, was da oben in der Halle liegt?«
    »Die Munition, alles, was wir finden. In der ganzen Kieler Bucht, wenn Sie es schon so genau wissen wollen.«
    »Bomben und Granaten? Seid ihr völlig wahnsinnig!«, rutschte es ihr heraus.
    Die Stimme des Mädchens klang entschlossen. »Wir werden die Welt auf ein Problem aufmerksam machen, das keiner sehen will. Nämlich dass die Meere als Müllkippe missbraucht werden.«
    Island riss sich wieder zusammen. Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte gespielt respektvoll zu den beiden jungen Leuten hinauf.
    »Ihr meint das richtig ernst, oder?«
    Paul-Walter beugte sich hinunter, das Gewehr schleifte am Betonrand des Tanks entlang, und Island hielt schützend die Hände vor ihren Bauch. Sie hatte allmählich die Schnauze voll von der Situation, aber sie steckte mit drin in diesem Albtraum und musste sich irgendetwas einfallen lassen.
    »Allein aus dem Zweiten Weltkrieg liegen in Nord- und Ostsee noch über eine Million Tonnen Kriegsmunition«, fuhr das Mädchen fort. »Können Sie sich so eine Menge überhaupt vorstellen? Dabei enthält das Zeug hochgiftige Stoffe wie Chlorgas, Lachgas oder Phosgen. Aber auch aus ganz normaler Munition treten ständig Gifte aus, Arsen zum Beispiel, Blei, Schwermetalle. Das gelangt über die Fische direkt in die menschliche Nahrungskette. Aber keiner unternimmt was dagegen. Keiner. Die Sachen bleiben einfach im Meer und rosten langsam vor sich hin. Niemand kümmert sich um die Bergung.«
    »Aber ihr tut etwas?«
    »Wir zeigen es allen.« Das war wieder Paul-Walter.
    »Meine Güte, ja«, sagte Island. »Und das macht ihr mit dem U-Boot. Der Deep-Dive-irgendwas, stimmt’s?«
    »Exakt.«
    »Und ihr wollt mir jetzt erzählen, dass ihr damit durch die Schleusen gefahren seid?«
    »Nein, wir sind nicht hindurchgefahren, wir sind hindurchgetaucht.«
    »Und wie geht das? Die Schleusen von Holtenau sind doch Hochsicherheitsbereiche. Da wird alles strengstens überwacht.«
    »Über Wasser schon. Aber unter Wasser nicht. Wir hängen uns einfach an die großen Schiffe dran, Frachter, Tanker, Kreuzfahrer. Und bevor die Schleusentore geschlossen werden, sind wir – schwups – schon drin und genauso schnell auch wieder draußen. Das Wasser des Nord-Ostsee-Kanals ist im Sommer so trübe, dass man uns nicht sieht.«
    »Toll«, sagte Island laut.

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