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Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Titel: Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstin Warschau
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Landkarte aus der Ledermappe im Handschuhfach. Auf dem Kartenblatt war in der Nähe der Stelle, wo sie sich gerade befand, ein langer, schwarzer Balken eingezeichnet. Augenscheinlich handelte es sich um ein größeres Gebäude, wahrscheinlich die Ölwärmehalle, von der Polizeiobermeister Kevin Gloe so begeistert berichtet hatte.
    Was also genau war dort drüben hinter dem Gestrüpp?
    Hektisch griff sie zum Handy.
    »Hallo, Olga«, sagte Bruns gehetzt. »Ist grad ein bisschen ungünstig …«
    »Ich wollte nur kurz …« Doch die Verbindung war katastrophal. Island fluchte. In dieser Einöde funktionierten nicht mal die Handynetze.
    »Lissy Heinke hat uns hingeführt«, hörte sie Bruns sagen. »Leere Spülrohre … Hufspuren … Es kann sein, dass Henna Franzen da reingekrochen ist … Verdammt gefährlich … Ich melde mich bei dir, wenn wir mehr wissen.«
    »Bruns!«, rief Island. »Hier brennt es!«
    Doch Bruns hatte schon aufgelegt.
    Während des Gesprächs war der Rauch plötzlich schwächer geworden. Sollte sie die Feuerwehr rufen, oder war das unnötig?
    Island stieg aus. Irgendetwas war an dem Tor festgeknotet. Als sie näher kam, erkannte sie, was es war: die Zügel einer Pferdetrense. Verdammt, dachte Island, Henna hat das Pferd ans Tor gebunden, aber es hat sich losgerissen und ist weggelaufen.
    Dann aber stockte ihr der Atem. Auf dem Beton jenseits des Tores lag der kleine beigefarbene Insulinstick, mit dem sich ihre Kollegin immer versorgte. Verzweifelt sah sie sich um. Weit und breit kein Mensch zu sehen. Nur vorn am Weg standen die leeren Mannschaftsbusse.
    Nervös stieg sie wieder ein und schaltete das Radio an. Rockmusik ertönte, Metallica, »Turn the Page«. Sie schaltete das Radio wieder aus. Doch es war zu spät, der Song hatte sich schon als Ohrwurm bei ihr eingenistet.
    Mit ihrem Bauch sah sie sich wirklich nicht in der Lage, über das Tor zu klettern. Sie schaltete das Radio wieder ein. Gerade erklangen die letzten Takte von »Turn the Page«. Island legte den ersten Gang ein und hielt die Luft an. In langsamer Fahrt fuhr sie direkt auf das Tor zu. Sie zog den Kopf ein, umklammerte das Lenkrad mit schweißnassen Fingern und stützte sich mit gebeugten Armen ab, als der Kühler des Wagens gegen das Eisen drückte. Mit lautem Knall riss das poröse Vorhängeschloss ab und flog wie ein Geschoss gegen ihre Windschutzscheibe, die in tausend Teile zersprang. Sie stoppte den Wagen und atmete tief durch.
    Es war alles in Ordnung, ihr und dem Kind ging es gut. Das Tor stand offen. Sie stieg aus und griff sich den Regenschirm aus dem Kofferraum. Dann suchte sie noch ihre Dienstwaffe und steckte sie vorschriftswidrig in ihre Handtasche: Wegen ihres Bauchumfangs und wegen der ständigen Rückenschmerzen trug sie die schon seit ein paar Monaten nicht mehr im Halfter auf der Hüfte.
    Der Betonplattenweg führte zwischen dicht bewachsenen Wällen aus Bauschutt hindurch. Hinter einem quaderförmigen Bunker, von dem nur die Decke aus dem Boden schaute, stand ein roter Dodge Nitro, ein klobiger Wagen mit Rendsburger Kennzeichen. Dieser Wagen hatte oft vor dem Gutshaus gestanden. Peter von Dünen hatte ihn gefahren, als er einmal frische Wäsche ins Gutshaus gebracht hatte. Island stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte durch die getönten Scheiben zu spähen, konnte aber nicht erkennen, ob jemand darin saß.
    Vorsichtig fasste sie an den Griff der Fahrertür, aber der Wagen war verriegelt. Sie machte ein Foto vom Kennzeichen und folgte dann weiter der Betonplattenspur. Hinter einer Biegung stand sie unvermittelt vor einer hohen verwitterten Backsteinwand. Das Bauwerk ließ sie an das Flughafengebäude in Berlin-Tempelhof denken, es war eine lange, zweckmäßige Industriehalle mit metergroßen, unverglasten Fensteröffnungen bis hinauf unter das Dach.
    Sie lief daran entlang und zählte aus Langeweile ihre Schritte. Bei einhundertundfünfzig hörte sie auf zu zählen. Als sie endlich an der Stirnseite des Gebäudes angekommen war, fielen ihr überwucherte Bahngleise auf, die ins Innere der Halle führten wie in einen alten Lokschuppen. Vorsichtig trat sie näher.
    Drinnen herrschte grünes Dämmerlicht. Schlingpflanzen hatten von Stahlpfeiler und Fensterhöhlen Besitz ergriffen. Am hinteren offenen Ende der Halle waren ein Stück Seitenwand und Teile der Decke eingestürzt. Backsteine und verzogene Stahlträger bildeten dunkle, moosbewachsene Haufen.
    Im offenen Dreieck des zerstörten Daches waberte

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