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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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zum Abgott meiner Seele.
    Man traf Anstalten zum Beilager. Was war da für Pomp! für unerhörte Pracht! Was für ein Zirkeltanz von Lustbarkeiten. Feste ketteten sich an Feste, Ringelrennen an Ringelrennen, Turnier' an Turniere, Operabuffas an Operabuffas, und ganz Italien sang mir zu Ehren Sonnette, davon das geringste dichtrischen Stempel trug, eines Ariost und Tasso würdig war.
    Ich stand am Ziele meines Glücks, als eine alte Marchese, eine ehmalige Buhlschaft meines Prinzen, ihn zur Schokolade bitten ließ. Er starb in weniger denn zwei Stunden an den schrecklichsten Zuckungen. Kleinigkeit gegen meine übrigen Unglücksfälle!
    Dieser Tod brachte meine Mutter ganz außer sich, obwohl er sie lange nicht so heftig angriff wie mich. Sie wollte sich eine Zeitlang von einem so unangenehmen Aufenthalt losreißen. Wir fuhren nach Gaetta, wo sie ein sehr schönes Landgut hatte; unser Schiff war eine päpstliche Galeere, so stark vergoldet als der St.-Peter-Altar zu Rom. Nicht lange, so stürzte ein Saleescher Korsar auf uns zu, enterte. Unsre Mannschaft wehrte sich wie wahre päpstliche Soldaten, warf ihre Waffen weg, fiel nieder auf die Knie, und, in letzten Zügen liegend, bat sie den Korsaren um Absolution. In einem Nu standen sie ganz affenkahl da; meiner Mutter, unsern Hofdamen und mir ging's nicht besser. Husch husch! und wir waren entkleidet. Ich habe nie flinkre Kammerdiener gesehn als diese Herren Seeräuber. Doch nahm mich dies nicht so wunder, als daß sie uns insgesamt einen Ort durchfingerten, dem wir Weiber uns gemeiniglich nur mit der Klistierspritze zu nahe kommen lassen.
    Nie aus meinen vier Pfählen gekommen, kam mir der Brauch ganz sonderbar vor. Ich erfuhr bald, zu was Ende dies geschahe; sie wollten wissen, ob wir nicht daselbst einige Diamanten versteckt hätten. Das ist uralte Sitte bei allen gebildeten Völkerschaften, die auf der See umhertreiben. Machen's doch die Herren Malteserritter nicht besser, wenn sie Türken und Türkinnen gefangen bekommen, und sind Geistliche. Dies Gesetz des Völkerrechts wird stets beobachtet.
    Wie peinlich, wie zu Boden drückend es für eine junge Prinzessin sein muß, mit ihrer Mutter als Sklavin nach Marokko geführt zu werden, brauch' ich Ihnen nicht erst zu sagen, Sie können sich's leicht vorstellen, so wohl als die Leiden, die wir auf dem Raubschiffe auszustehn hatten.
    Meine Mutter war noch sehr schön, unsre Hofdamen, sogar die bloßen Kammerfrauen besaßen mehr Reize, als in ganz Afrika zu finden sind. Und ich hatte all die entzückende Schönheit, war mit all' der Lieblichkeit, dem namenlosen Zauber umflossen, womit Mutter Eva aus den Händen Gottes hervorging; noch hatt' ich keinen Mann erkannt, aber bald mußt ich's. Die Rose, die ich dem schönen Fürsten von Massa Carrara aufbewahrt, zerknickte der Hauptmann der Räuber; eine abscheuliche Fratzenfigur von Neger, die mir dadurch noch ungemeine Ehre zu erweisen glaubte.
    Wahrlich! die Fürstin von Palestrina mußte sowohl wie ich Herkulesschultern haben, um all das Ungemach zu tragen, das bis zu unsrer Ankunft in Marokko über uns kam. Kein Wort weiter davon! Es ist etwas zu Alltägliches, als daß es der Mühe lohnte, davon zu reden.
    Bei unsrer Ankunft schwamm Marokko in Blut. Fünfzig Söhne des Kaisers Mulei Ismael hatten jeglicher seine Partei; sonach wüteten daselbst fünfzig bürgerliche Kriege. Schwarze fochten gegen Schwarze, Schwarzbraune gegen Schwarzbraune, Mulatten gegen Mulatten; das ganze Land umher glich einer Metzge, wo Arbeit vollauf war.
    Kaum waren wir auf dem Gestade, so rückte eine feindliche Partei an, die unserm Korsaren seine Beute abnehmen wollte. Wir waren nach den Diamanten und dem Golde das Allerkostbarste, was er hatte. Ich war Zeugin eines Kampfs, den Ihr in Euren europäischen Gegenden nie so gesehn habt; dazu haben die nordischen Völker nicht heißes, glühendes Blut genug; sie haben ja nicht einmal so viel Wut als jedes Weib in Afrika. Bei Euch Europäern scheint Milchsaft in den Adern zu rinnen, Vitriol, Feuer hüpft, spritzt durch jede Nerve bei den Bewohnern des Atlasgebirges und der benachbarten Gegenden. Wütend wie die Löwen und Tiger und Schlangen dieses Landes fielen sie sich an und strebten, uns einander abzukämpfen. Ein Mohr packte meine Mutter beim rechten Arm, der Leutnant unsers Schiffs riß sie beim linken zurück; stracks nahm ein Schwarzer ihren einen Fuß, einer unsrer Seeräuber zog sie beim andern nach sich. Und so wurden all' unsre

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