Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
Vom Netzwerk:
worin ich diente. Ein niedlicher Bettwärmer, den er mit sich gebracht, hatte sich in alle seine Kostbarkeiten und in seine vollgepfropfte Börse so stark verliebt, wie er sich in dies Kreatürchen, und den Anschlag gemacht, durch meine Beihilfe damit über alle Berge zu gehn. Diese Zumutung verdroß mich; ich steckte dem Juden das Projekt seines Madchens; er verhinderte sie an dessen Ausführung, indem er sie sitzen ließ, und mich nahm er zur Belohnung meiner Redlichkeit mit nach Portugal, wo er mir Zeit Lebens Unterhalt zu geben versprach.
    Bald darauf kamen Sie in sein Haus, und er gab mich Ihnen zur Bedienung. Sie wissen, wie ich stets an Ihnen gehängt, gnädge Baroneß, wie ich über Ihre Schicksale ganz die meinigen vergessen habe, die um so härter sind, da mein Elend nur erst mit meinem Leben ein Ende nehmen kann. Denn Sie müssen noch wissen, bei Verlust des Kopfs darf ich mich in den Landen meines verstorbnen Vaters nicht wieder sehn lassen. Sein Nachfolger auf dem päpstlichen Stuhl, ein geschworner Feind meiner Mutter und des Hauses Massa Carrara, hat nicht nur alle unsre Güter eingezogen, sondern auch bei Landesverweisung verboten; meiner in Gesellschaft zu erwähnen. Durch ihn, teils bestochen, teils durch niedrige Schmeichelei bewogen, haben verschiedne Geschichtsschreiber nicht nur meinen Vater aus der Liste der Päpste weggelassen, sondern auch sogar öffentlich im Druck meine und meiner Mutter Existenz glatt weggeleugnet.
    Urteilen Sie nun selbst, wer von uns beiden das Mehrste erlitten hat, und gleichwohl hätt' ich Ihnen nie meine Unglücksfälle erzählt, wenn Sie mich nicht durch Ihre bittern Klagen dazu aufgefordert hätten, und wenn's nicht im Schiff, so gut wie auf der Landkutsche Mode wäre, der lieben Langeweile halber Historien zu erzählen.
    Machen Sie sich 'mal das Vergnügen, gnädige Baroneß, und nötigen Sie jeden aus unsrer Reisegesellschaft, seinen Lebenslauf zu erzählen; ich behaupte — und ich habe mir Erfahrung genug gesammelt, um das mit Grund behaupten zu können —, daß kein einziger darunter ist, der nicht sein Dasein verflucht, sich oft selbst gesagt hat, daß er der unglücklichste unter allen Menschen sei. Finden Sie einen, der das nicht getan hat, nun so stürzen Sie mich kopfüber ins Meer.

Dreizehntes Kapitel: Wie sich Kandide genötigt sahe, die schöne Kunegunde und die Alte zu verlassen
    Nunmehr begegnete die schöne Kunegunde der Alten mit all' der Achtung, die einer Dame von ihrem Rang und Verdiensten gebührte. Sie nahm ihren Vorschlag an und beredete ihre Reisegefährten, nach der Reihe ihre Begebenheiten zu erzählen. Kandide und sie mußten gestehn, daß die Alte recht hatte. Schade, sehr schade! sagte Kandide, daß der weise Panglos wider alle Sitt' und Brauch in einem Audodafé ist aufgehängt worden, was für vortreffliche Dinge würd' er über das physische und moralische Übel sagen, das unsern Erdwasserball bedeckt, und ich würde mich stark genug fühlen, ihm einige bescheidne Einwürfe zu machen.
    Über die Erzählungen langte man, eh' man sich's versahe, in Buenos-Aires an. Kunegunde, Hauptmann Kandide und die Alte begaben sich zum dasigen Statthalter, dem Don Fernando d'Ibara y Figueora y Mascarenes y Lampourdos y Souza. Er war so hochfahrend, als es ein so vielbetitelter Mann sein mußte; sprach in so hochadelig-verächtlichem Tone mit Mannspersonen, trug seine Nase so hoch hinaus in die Lüfte, erhub seine Stimme so posaunenmäßig, hatte einen so befehlshaberischen Ton und solchen Pfauengang, daß jedem, der ihm seine Aufwartung machte, der Gelust ankam, ihn derb durchzuprügeln; die Frauenzimmer liebt' er aufs heftigste; Kunegunde deuchte ihm das schönste, reizendste Geschöpf, das er je gesehn. Seine erste Frage war, ob sie des Hauptmanns Frau sei.
    Das fragte er mit einem Ton, mit einer Miene, daß Kandide ganz zu Boden geschlagen wurde. Für seine Frau mocht' er sie nicht ausgeben, weil sie's noch nicht war, für seine Schwester auch nicht, denn das war sie noch weniger; er war zu sehr Teutscher, um sich dieser Notlüge zu bedienen, die so manchen Patriarchen aus der Not gerissen hatte und auch noch heutiges Tages gute Dienste leisten konnte. Deshalb sagte er grad heraus: die Baroneß Kunegunde wird mich mit ihrer Hand beehren, und wir ersuchen Ihro Exzellenz untertänigst, die hohe Gnade für uns zu haben und unsre Hochzeit auszurichten.
    Don Fernando d'Ibara y Figueora y Mascarenes y Lampourdos y Souza strich hohnlächelnd seinen

Weitere Kostenlose Bücher