Kane
heiße Wasser, das prickelnd über ihren Körper lief, half ihr dabei, ein wenig zu entspannen und ihre wirren Gedanken zu sortieren. Noch bevor sie sich ausgezogen hatte, probierte sie mehrmals aus, ob die Zwischentür auch wirklich verschlossen war.
Vivian und Dana waren die herzlichsten Frauen, die Emma je getroffen hatte, und auch die Männer des Hauses zeigten sich von ihrer besten Seite. Sie gaben ihr das Gefühl, als würde sie schon immer dazugehören. Trotz der angenehmen Atmosphäre, war sie angespannt. Nach all den Jahren der Einsamkeit, mit nur wenig Kontakt zu Anderen, fiel es ihr schwer sich einzugewöhnen. Wie sollte sie sich ihnen gegenüber verhalten? Sie beschloss, die anderen erst einmal zu beobachten. Immer schon hatte sie es so gehalten. Wann immer sie konnte studierte sie Bücher, Modemagazine, das Internet, TV-Serien und die Leute, die sie hin und wieder im Hause ihrer Eltern zu Gesicht bekam. Doch das Meiste, hatte sie von Nandini gelernt. Bei dem Gedanken an ihre Freundin musste sie schlucken. Bitte lass es ihr gutgehen!
Einige der Männer, die ihr als Ethan und Joshua vorgestellt wurden, standen mit Samaél und einem Becher Tee in der Hand, vor dem riesigen, offenen Kamin und unterhielten sich angeregt über die Ereignisse des Tages. Trotz ihrer kriegerischen, maskulinen Ausstrahlung, wirkten sie alle sehr kultiviert. Ronan saß mit Victor zusammen auf einer riesigen, weinroten Ledercouch. Ihr entging nicht, dass Ronan sie immer wieder aus seinen dunkelgrauen Augen forschend anstarrte, als würde er ihr nicht trauen. Trotzdem versuchte er, sich auf seine süße, kleine Nichte, in den Armen seines Bruders zu konzentrieren. Noch nie hatte Emma ein echtes Baby gesehen, höchstens in der Werbung zwischen ihren Serien. Dieses kleine Etwas, hatte jetzt schon die Merkmale seiner Eltern. An seinem Kopf, spross ein winzig roter Flaum und seine Augen waren von demselben Bernstein, wie die seines Vaters. Mal abgesehen davon, dass Kiara die Schönheit und die Aura eines Engels besaß.
Emma war völlig fasziniert, und völlig in den Bann Kiaras gezogen, so wie die Kleine fröhlich gluckste, wenn ihr Vater für sie witzige Grimassen zog. Die beiden Frauen saßen ganz locker, die Beine über die Sessellehnen geschwungen, direkt vor ihr und erzählten mit glänzenden Augen, von Vivian's und Victor's wunderbar, romantischer Hochzeit in Schottland.
Emma versuchte sich auf das Gespräch zu konzentrieren, aber ihr Blick wurde immer wieder wie magisch angezogen, von dem Mann, der rittlings auf einem Stuhl in der Essecke saß und dabei ein Klappmesser auf und zufallen ließ. Sein Gesichtsausdruck stark angespannt und konzentriert, und doch wirkte er jungenhaft. Sein blondes, glattes Haar, fiel ihm wirr in die Stirn und seine Wangen waren bedeckt von einem leichten Schatten, der wohl davon kam, dass er sich seit gestern nicht mehr rasiert hatte. Ein Schauer lief Emma über den Rücken, der ihr direkt in den Unterleib fuhr.
Er fixierte sie, als gäbe es sonst Niemanden in diesem Raum. Kane war es, er war der Mann aus ihren Träumen, da war sich Emma ganz sicher. Seine sturmgrauen Augen und die Intensität seiner Blicke, würde sie immer und überall wiedererkennen, selbst wenn er zwischen tausend Anderen stehen, und sie nur die Augen sehen könnte.
,,Warst du mal bei einer Hochzeit?", riss Vivian sie aus ihren Gedanken und lenkte damit den Fokus wieder auf das Gespräch.
,,Nein", erwiderte sie traurig, ,,bei uns gab es weder Familienfeste, noch irgendwelche Treffen mit Freunden. Ich habe sehr isoliert gelebt. Zu meinem eigenen Schutz."
Mitleidig sahen Dana und Vivian sie an, ohne jedoch auf Emmas Bemerkung einzugehen. Emma wusste, dass das mit dem Schutz eine Lüge war, noch während sie es aussprach. Es war mehr die Gewohnheit, eine Art von Selbstschutz. Eben das, was ihre Eltern ihr fast ein Jahrhundert erzählt hatten. Ein quälendes Gefühl beschlich sie. Ihr ganzes Leben war eine verdammte Lüge. Es gab nichts, was sie erzählen konnte. Keine netten Anekdoten aus ihrer Jugend. Keine romantische Geschichte der ersten Verliebtheit. Sie war nicht der Schutzengel, nichts Besonderes. Ein Niemand eben. Sie kannte die Leute hier nicht, und auch die Welt dort draußen war ihr fremd. Hilfesuchend sah sie zu Kane, der inzwischen aufgestanden war und sich angeregt mit Ronan, über die Geschehnisse der letzten Tage unterhielt. Sie konnte nicht mehr hierbleiben, sie musste allein sein, um wieder einen klaren
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