Kann ich den umtauschen?
spielte â es gehörte zum Brokerhandwerk, und sie war daran gewöhnt. Trotzdem war es dieses Mal nicht das Gleiche. Wenn Nathan sich beruflich unter Leute begab, hatte er zwar auch mal ein Glas in der Hand â war aber immer vollkommen nüchtern. Das konnte man an seinem Blick und seinem Verhalten ablesen.
Der Nathan auf dem Bild dagegen war ganz offenkundig betrunken. Seine Augen glänzten, sein Lächeln war irgendwie schief. Nathan wurde nicht so schnell betrunken. Wenn er um fünf vor zwölf betrunken war, dann musste der lockere Teil des Abends schon lange vorher begonnen haben.
Alice atmete tief durch.
»Was ich wissen möchte, ist, ob du es hättest schaffen können, nach Hause zu kommen und mit mir ins neue Jahr zu feiern, wie wir es geplant hatten? Wie du es versprochen hattest? Und wenn ja, warum du es dann nicht getan hast?«
»Glaubst du etwa nicht, dass ich gekommen wäre, wenn es mir möglich gewesen wäre?«
»Ehrlich gesagt, wenn ich mir das Bild so ansehe ⦠Nein.«
Das klang härter, als sie es gemeint hatte, aber das kam daher, dass sie gleichzeitig überlegte, wie oft er wohl sonst schon kräftig gefeiert hatte, während sie glaubte, dass er arbeitete?
Nathan legte die Stirn in Falten und sah aus, als habe sich ein Schatten auf sein Gesicht gelegt.
So hatte er Alice noch nie angesehen.
»Ist doch kein Wunder, dass ich nicht nach Hause komme, wenn mich so etwas hier erwartet.« Er sprach so leise, dass Alice sich fragte, ob sie richtig gehört hatte.
»Was?«, flüsterte sie schockiert.
»Ich hab im Job schon genug Stress, Alice, da kann ich so etwas hier überhaupt nicht gebrauchen. Ich hatte dich ausdrücklich gebeten, nicht paranoid zu werden â¦Â«
»Paranoid! Ich!«, unterbrach sie ihn so wütend, dass Nathan zusammenzuckte. »Das hier hat überhaupt nichts mit paranoid zu tun! Paranoia ist, wenn man sich über etwas aufregt, was gar nicht passiert. Aber das da« â sie zeigte auf das Foto â »ist der Beweis dafür, dass du mich angelogen hast.«
»Ich habe dich angelogen?«
»Ja.«
»Wann?«
Fassungslos angesichts seiner Frechheit drückte Alice auf den Abspielknopf des Anrufbeantworters. Nathans Stimme erfüllte das Zimmer.
»Hi, Ali. Du kannst es dir wahrscheinlich schon denken â wir mussten mal wieder eine Nachtschicht einlegen. Ja, ich weiÃ, ziemlich blödes Timing, aber die Verhandlungen sind einfach zu heikel, ich kann jetzt nicht weg nur wegen einem Glas Sekt. Aber ich weiÃ, dass du das verstehst. Dienst ist Dienst. Warte nicht auf mich â wir sehen uns morgen. Bye.«
Erwartungsvoll sah sie ihn an, aber er runzelte die Stirn nur noch mehr und sah eher wütend als beschämt aus.
»Jetzt sag doch bitte was, Nathan.«
»Was soll ich denn jetzt noch sagen? Du hast doch sowieso schon beschlossen, dass ich im Unrecht bin.«
Damit drehte er sich um und verlieà den Raum.
Alice brauchte einen Moment, um sich zu überlegen, was sie jetzt machen sollte, und einen weiteren, um wieder Fassung zu erlangen. SchlieÃlich ging sie ihm nach.
Er war im Schlafzimmer, allerdings nicht im Bett. Er stand noch vollständig angezogen am Fenster und sah hinaus in die dunkle Parklandschaft.
»Nathan ⦠was passiert mit uns?«, fragte Alice mit bebender Stimme. Sie war kurz davor zu weinen.
»Was mit uns passiert?« Er biss sich auf die Unterlippe, als wolle er seine Antwort zügeln. »Du bist offenbar dabei, dich in etwas zu verwandeln, das ich nie für möglich gehalten hätte â¦Â«
»Und das wäre?«, flüsterte sie.
»In eine dieser Frauen, die ständig zu allem Fragen stellen, in eine, die das hier alles haben will« â er machte eine ausladende Geste durch den palastartigen Raum â »und sich dann darüber beklagt, dass der Mann sich den Arsch abarbeitet, um das nötige Kleingeld zu verdienen â¦Â«
»Das bin ich nicht. Und das weiÃt du.«
»Ach, ja?« Dann brach er ab, wandte ihr wieder den Rücken zu und seufzte. Und dann drehte er sich zu ihrer Ãberraschung wieder um, kam direkt auf sie zu, schlang die Arme um sie und hielt sie ganz fest.
»Du hast recht«, murmelte er ihr ins Haar. »Das bist du nicht.«
Nathan fiel offenbar gar nicht auf, wie Alice, völlig überrascht von seinem Sinneswandel, sich versteifte.
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